Die ersten Tränen flossen, als die Anwältin und Frauenrechtlerin Gloria Allred die mutmaßlichen Übergriffe des Musikmoguls Sean „Diddy“ Combs als einen Verstoß gegen die Gesetze zu gendermotivierter Gewalt der Stadt New York beschrieb. Während ihre Mandantin Thalia Graves neben ihr zu einem Taschentuch griff, ließ Allred die Journalisten in ihrer Kanzlei am Wilshire Boulevard in Los Angeles wissen, was sich hinter dem eher sperrigen Vorwurf verbarg.
„Sean Combs und eine weitere Person zwangen die Klägerin zu sexuellen Handlungen, Oralsex und Geschlechtsverkehr“, fasste die Juristin zusammen und warf dem Rapper auch einen Verstoß gegen Graves‘ Grundrechte vor. Combs habe ihre Mandantin nicht nur betäubt und vergewaltigt. Er habe den Missbrauch auch gefilmt. „Der Beklagte zeigte Thalia Graves mit entblößten, intimen Körperteilen in einem Video. Dieses Video hat er als Pornographie verkauft“, warf Allred dem Grammy-Preisträger am Dienstag vor.
Sie fordert Schadenersatz und Vernichtung aller Videos
Wie sie auch wissen ließ, hatte sie einige Stunden zuvor in Graves‘ Auftrag eine Zivilklage bei einem Bundesgericht in Manhattan gegen Combs und einen mutmaßlichen Mittäter, einen früheren Leibwächter, eingereicht. Neben Schadenersatz in ungenannter Höhe forderte Allred die Vernichtung aller Videos, die der Rapper und sein Leibwächter im Sommer 2001 in New York während des mutmaßlichen Missbrauchs aufnahmen und anschließend kopierten. „Die Mischung aus körperlichen und seelischen Schmerzen hat einen Kreislauf des Leids ausgelöst, dem ich kaum entkommen kann“, gab Graves zu. Die Neunundvierzigjährige leide bis heute unter Panikattacken, Depressionen und einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Wie Allred auch wissen ließ, hatte ihre Mandantin erst im vergangenen November von den Videos der mutmaßlichen Vergewaltigung erfahren. Damals wurde der Rapper von Missbrauchsvorwürfen eingeholt, als Casandra „Cassie“ Ventura ihrem früheren Lebensgefährten in einer Klage vorwarf, sie jahrelang sexuell missbraucht und geschlagen zu haben.
Obwohl Combs seine Unschuld beteuerte, legte er den Rechtsstreit mit der Sängerin innerhalb eines Tages bei. Einige Monate später wurde dem Sender CNN die Aufnahme einer Überwachungskamera zugespielt, die zeigte, wie der Rapper Ventura auf einem Hotelflur in Los Angeles schlug, trat und an den Haaren riss. Zu der Zeit hatten schon mindestens fünf weitere mutmaßliche Opfer, unter ihnen das frühere Model Crystal McKinney und die ehemalige Modestudentin April Lampros, Schadenersatzklagen gegen den Gründer des Musiklabels Bad Boy eingereicht.
Immer mehr Details zu Orgien kommen ans Licht
Combs trat damals als Chef des Kabelfernsehnetzwerks Revolt zurück und gab die Pläne für eine Realityshow über sein Familienleben unter dem Titel „Diddy+7“ auf. Nach Razzien in seinen Villen in Los Angeles und Miami nahmen Beamte der Bundespolizei den einst gefeierten Strippenzieher der amerikanischen Musikbranche in der vergangenen Woche in einem Hotel in Manhattan fest. Die Staatsanwälte warfen Combs bei der Anklageerhebung Sexhandel, organisierte Kriminalität und Waffenvergehen vor. Den Antrag seiner Anwälte, ihn bis zu Prozessbeginn gegen 50 Millionen Dollar Kaution aus dem Gefängnis zu entlassen, lehnte das Gericht in New York ab.
Seit Combs‘ Verhaftung kommen immer mehr Details zu Orgien, sogenannten Freak-Offs, ans Licht. Nach den tagelangen Sexpartys mit angeblich unter Drogen gesetzten Opfern und männlichen Prostituierten sollen Teilnehmer mit Videoaufnahmen unter Druck gesetzt worden sein. „Ich habe immer wieder gesagt, dass ich nicht zu Puffys Partys gehe. Sie hatten eine Energie, die mir Unwohlsein bereitet hat“, sagte der Rapper 50 Cent dem Branchenblatt „The Hollywood Reporter“.
Auch Usher, der als Jugendlicher ein Jahr bei Combs lebte, erinnerte sich an einen eher ungewöhnlichen Lebensstil seines Mentors. „Ich habe nicht mal verstanden, was da vor sich ging. Es ziemlich wild und verrückt“, sagte der Sänger in einem Radiointerview. Zu den Zöglingen des Musikproduzenten gehörte auch Justin Bieber. Fotos, die nach Combs‘ Festnahme in amerikanischen Medien veröffentlicht wurden, zeigten ihn zudem ausgelassen bei Feiern mit Prominenten wie Ashton Kutcher, Sarah Jessica Parker und seiner früheren Lebensgefährtin Jennifer Lopez.
Beobachter erwarten derweil weitere Enthüllungen. Das Gesetz gegen gendermotivierte Gewalt, auf das sich Allreds Mandantin Graves am Dienstag in ihrer Klage berief, setzt die Verjährungsfrist in New York bis Anfang März 2025 aus. Mutmaßlichen Opfern bleiben daher weitere fünf Monate, um den gefallenen Musikmogul auch zivilrechtlich zur Rechenschaft zu ziehen.
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