Ingo Schäfer ist SPD-Bundestagsabgeordneter aus Solingen. „Die Tat traumatisiert bis heute meine Heimatstadt“, sagte er am Donnerstagmorgen im Bundestag. Es stand die erste Beratung über das von der Ampelkoalition vorgelegte Sicherheitspaket an. Fünf Tage hatte die Koalition gebraucht, um das Maßnahmenbündel, das von Waffenrecht bis Sozialleistungskürzungen reicht, zu schnüren. Danach hatte man sich beeilt, es zügig in den Bundestag einzubringen, um es ebenso zügig zu verabschieden. Das Paket sei ein erster Schritt, um Konsequenzen zu ziehen, sagte Schäfer.
Genau genommen handelt es sich um zwei Gesetzentwürfe, weil mit einem der Bundesrat befasst werden muss. In dem einen geht es Verschärfungen des Asylrechts und erleichterte Abschiebungen, in dem anderen um Terrorismusbekämpfung und eine Verschärfung des Waffenrechts. Gegen Letzteres hatte sich vor allem die FDP lange gesperrt.
Nachdem aber auch der Täter von Solingen mit einem Messer drei Menschen umgebracht und viele weitere schwer verletzt hatte, erklärte sie sich zu Verschärfungen bereit. „Wir müssen Orte besser schützen, an denen viele Menschen zusammenkommen. Denn genau auf diese haben es die Islamisten abgesehen. Maßnahmen wie Messerverbote bieten dabei die rechtliche Grundlage, um den Sicherheitsbehörden in diesem Bereich mehr Kontrollbefugnisse einzuräumen“, teilte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Donnerstag mit.
Generelles Messerverbot im Fernverkehr
Geplant ist nun ein absolutes Messerverbot bei Volksfesten, Sportveranstaltungen, Messen, Märkten und anderen Großveranstaltungen. Im öffentlichen Nahverkehr sollen die Länder Messer- und Waffenverbote erlassen können. Im Fernverkehr ist ein generelles Messerverbot vorgesehen. Auch werden alle Springmesser verboten. Ausnahmen gibt es etwa für Jäger.
Um diese Verbote durchzusetzen, sollen die Sicherheitsbehörden stichprobenartig und verdachtsunabhängig kontrollieren dürfen. Auch sollen Extremisten nicht mehr so einfach an Waffen kommen können. Ausländer, die mit einer Waffe eine Straftat begehen, sollen leichter ausgewiesen werden.
Überhaupt sollen die Möglichkeiten, eine Person auszuweisen, die sich nicht legal in Deutschland aufhält, durch das Sicherheitspaket erweitert werden. Ausreisepflichtige Migranten, die zuvor in einem anderen EU-Land registriert wurden, sollen keine Sozialleistungen mehr erhalten. Denn nach den europäischen Dublin-Regeln wären sie verpflichtet gewesen, in ihrem EU-Ankunftsland Asyl zu beantragen, und hätten dort Anspruch auf Unterstützung.
So will die Bundesregierung den Druck auf diese Personen erhöhen, sich selbst mit den Abschiebebehörden in Verbindung zu setzen oder freiwillig auszureisen. Wenn Asylberechtigte in ihr Heimatland reisen, soll ihnen der Schutzstatus aberkannt werden. Ausnahmen gelten für Ukrainer und Personen, deren Reise „sittlich zwingend geboten“ ist, etwa bei einer Beerdigung naher Angehöriger.
Das BAMF soll mehr Befugnisse bekommen
Schon jetzt kann Flüchtlingen bei schweren Straftaten der Schutzstatus aberkannt werden. Künftig soll bei der Entscheidung auch zwingend berücksichtigt werden, ob Straftaten aus einem antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen, geschlechtsspezifischen oder sonstigen menschenverachtenden Beweggrund begangen wurden.
Auch die zuständigen Behörden sollen besser ausgestattet werden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge soll die Befugnis bekommen, bei der Feststellung der Identität von Ausländern einen biometrischen Abgleich mit öffentlich zugänglichen Daten aus dem Internet vorzunehmen. Bei der Suche nach Terror- und Tatverdächtigen sollen Bundeskriminalamt und Bundespolizei Befugnisse zur automatisierten Datenanalyse erhalten. Dabei geht es etwa um den Abgleich von Fotos mit islamistischen Propagandavideos. Auch Künstliche Intelligenz soll dafür eingesetzt werden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll künftig Finanzströmen auf den Grund gehen dürfen.
Viele der nun in Gesetzesform gegossenen Maßnahmen wurden schon lange gefordert. Die Union äußerte sich deswegen grundsätzlich positiv. Die vorgelegten Entwürfe enthielten „viele vernünftige Maßnahmen“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU). Er schob aber hinterher, dass etwas Entscheidendes fehlte: die umfassenden Zurückweisung von Asylbewerbern an den deutschen Grenzen und weitere Möglichkeiten zur Bekämpfung von irregulärer Migration.
Die Union hatte deswegen am Donnerstag auch einen eigenen Antrag in den Bundestag eingebracht, der genau das forderte – und anknüpfte an die gescheiterten Migrationsgespräche mit der Regierung und den Ländern. Merz zeigte sich derweil offen für ein neues Treffen mit der Ampelspitze. „Wenn Christian Lindner überzeugt ist, dass ein Gespräch auf Chefebene uns näher an eine echte Wende in der Asyl- und Migrationspolitik bringt, dann stehe ich selbstverständlich zur Verfügung“, sagte Merz der Funke-Mediengruppe.
SPD, Grüne und FDP verwiesen den Antrag der Union in den Ausschuss. Womöglich hatte die Union gehofft, die ein oder andere FDP-Stimme mit ihrem Antrag aus der Ampel herauslocken zu können, weil es zwischen beiden Parteien große Schnittmengen in der Migrationspolitik gibt. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz schlug vor, das Modell der Union für drei Monate zu testen.
Stattdessen hatte die Ampel angekündigt, bestehende Verfahren zu beschleunigen und so schneller Personen, die in einem anderen EU-Staat Asyl beantragt haben, überstellen zu können. Die Gewerkschaft der Polizei fordert dafür nun deutlich mehr Geld. „Wir brauchen eine Infrastruktur“, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft, Jochen Kopelke, der ARD. „Wir brauchen Geld und Technik.“
Bei ihrem Versuch, nach Deutschland zu kommen, würden Schleuser und illegal einreisende Migranten ja nicht den Weg über die großen Grenzübergänge wählen, sondern sich etwa durch einen Wald schlagen. Um diese Menschen zu fassen, sei eine entsprechende Ausstattung der Bundespolizei nötig, sagte der Polizei-Gewerkschafter.
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