Hizbullah-Anführer Hassan Nasrallah muss wissen, dass seine Leute angefressen sind. Tausende ihrer Kämpfer und Kader liegen in überlasteten Krankenhäusern, Hunderte haben ihr Augenlicht verloren. Israel hatte der von Iran aufgerüsteten Schiitenorganisation nicht nur einen schweren Schlag versetzt, als binnen zwei Tagen Tausende Pager und Funkgeräte detonierten, die mit Sprengstoff präpariert worden waren. Laut Zahlen vom Freitag gab es etwa 3000 Verletzte und 37 Tote, die meisten von ihnen sollen Hizbullah-Mitglieder sein. Die „Washington Post“ berichtete unter Berufung auf Hizbullah-Insider, einige der Pager seien im Frühjahr an Vollzeit-Kämpfer ausgeliefert worden, andere an Reservisten, die nur im Krisenfall zur Waffe gerufen werden und ansonsten zivilen Berufen nachgehen.
Der israelische Sabotage-Großangriff ist aber auch eine schwere Demütigung. Dass dem Geheimdienst des Feindes ein solcher Coup gelingen konnte, nagt am Vertrauen in die Fähigkeiten einer abgeschotteten Organisation, die großen Wert auf Geheimhaltung legt. Es werden in Beirut Vergleiche gezogen mit dem terroristischen Großangriff der Hamas, der Israels Sicherheitsbehörden bloßstellte. Mancher im Hizbullah-Umfeld zieht sogar hinter vorgehaltener Hand deren Professionalität in Zweifel. „Wie kann es sein, dass diese Pager und Funkgeräte nicht nach Lieferung überprüft werden?“, sagt eine Person, die nur als „nah zur Hizbullah“ zitiert werden will. Die Organisation habe doch die Möglichkeiten dazu. „Sie können Drohnen und Raketen bauen, aber nicht solche Manipulationen feststellen?“
Die Stellung in Libanon ist gefährdet
Die Leute sind verunsichert. Manche im Hizbullah-Reich der südlichen Vorstädte von Beirut scherzen, sie würden jetzt nur noch mit einem mulmigen Gefühl zum Kühlschrank gehen. Aber die Verunsicherung scheint groß. Die Sabotageangriffe haben den Leuten in Hizbullah-Bastionen noch einmal vor Augen geführt, wie weit die Organisation, ihr Militärapparat, aber auch ihre Wohlfahrtseinrichtungen die Gesellschaft durchdrungen haben. Jetzt ist diese Durchdringung mit einem Gefühl von Bedrohung verbunden. Ein Lehrer und Hizbullah-Anhänger sagt: „Wenn wir uns heute irgendwo zu Hause treffen, dann wissen wir nicht, was als Nächstes in die Luft fliegt. Jetzt kursieren schon Gerüchte, es seien Fernseher mit Sprengstoff versehen worden.“ Viele Anhänger fordern jetzt harte Vergeltung. Ibrahim al-Amin, Chefredakteur der Hizbullah-treuen Zeitung „Al-Akhbar“, forderte in einem Kommentar zumindest indirekt, man solle lieber von sich aus einen voll entfesselten Krieg mit Israel beginnen, anstatt sich den Zeitpunkt vom Feind vorschreiben zu lassen.
Aber die Möglichkeiten für Hassan Nasrallah, Rache zu üben und die eigene Abschreckungsfähigkeit gegenüber Israel herzustellen, sind beschränkt. Nicht er allein entscheidet darüber, sondern auch das Regime in Teheran, das die Hizbullah über Jahrzehnte hochgerüstet hat und lenkt. Die Schiitenorganisation ist nicht nur ein Staat im Staat in Libanon, gegen dessen Willen nichts in der Politik des Landes geschehen darf. Die Organisation ist auch ein wichtiges Instrument Teherans: zur Abschreckung, zur Machtprojektion oder als Expeditionskorps. „Das Raketenarsenal der Hizbullah dient nicht den Interessen Libanons oder der Organisation selbst oder der palästinensischen Sache“, sagt ein Hizbullah-Kritiker, der ihrem schiitischen Milieu entstammt. „Es hat einen iranischen Zweck.“
So far, Tehran has been reluctant to sacrifice Hezbollah and its rockets, which it sees as a kind of forward line of defense in the event of an Israeli-Iranian war, in an unbridled armed conflict. The Hezbollah leadership knows that such a conflict would endanger its position within Lebanon. That is why it has always tried to avoid it getting that far and has calibrated its strikes against Israel accordingly.
Undisguised glee among parts of the population
The Shiite organization has been in a difficult situation since it opened another front on the Israeli-Lebanese border on October 8 to support its Palestinian allies from Hamas. It has unbreakably tied an end to the attacks and a possible border deal with Israel to an end to the violence in the Gaza Strip. But the organization is not designed for the war of attrition that it has been waging for ten months, in which it has been hit hard by Israeli air strikes on military infrastructure and drone strikes against commanders. And Israel is increasing the pressure even further. On Friday night, southern Lebanon was again shaken by a wave of heavy air strikes. Hezbollah, an organization that serves to deter and punish, is losing its ability to deter – while having to moderate its punitive strikes.
When Nasrallah spoke to his supporters on Thursday, he tried to explain away the organization’s problems. He explained that they had suffered a “heavy blow,” but that they were on the road to victory as long as Israel did not achieve its goals: victory over Hamas or the return of Israelis displaced by the fighting to their homes in the north. It would be enough to carry on as before. He invoked fighting spirit and a willingness to make sacrifices, and spoke of solidarity from within his own country. That may apply to the politicians who showed sympathy despite their opposition. But it does not apply to the entire population, where parts of the population are blatantly gloating.
Several experts believe that Hezbollah would have an easier time if Israel carried out its threat and sent troops across the border into its territory, because then the casualty rate would be less spread out and would give Hezbollah’s self-esteem a boost. Nasrallah said this himself in his speech: an invasion would be a “historic opportunity” that would have a major impact on their struggle. “We even hope that it will happen.” Hezbollah has always been successful in the guerrilla struggle against Israel.
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