Lloyd Doggett war der erste Abgeordnete in Washington, der Joe Biden vor Wochen aufgefordert hatte, nicht für eine zweite Amtszeit zu kandidieren. Und obwohl die Debatte derzeit zumindest in der Öffentlichkeit wegen des Attentats auf Donald Trump und des Parteitags der Republikaner in Milwaukee in den Hintergrund verdrängt wurde, hält der Demokrat aus Texas sein Anliegen für umso dringlicher. Man müsse der Realität ins Auge sehen – alles andere sei Wunschdenken. Die Umfragewerte verschlechterten sich stetig.
Doggett verband seinen Appell mit einer scharfen Kritik an der Parteiorganisation der Demokraten. Der Plan des „Democratic National Committee“ (DNC), das Nominierungsverfahren zu beschleunigen, sei nicht geeignet, unentschlossene Wähler in den umkämpften Bundesstaaten zu überzeugen. Diejenigen, die so eifrig dabei seien, Biden zu schützen, ignorierten dessen eigene Worte: Er habe jeden, der seine Kandidatur in Frage stelle, aufgefordert, dies auf dem Parteitag in Chicago auszutesten.
Hintergrund der Intervention ist eine ursprünglich nachrangige Verfahrensfrage, die für Biden zunächst ein lästiges Ärgernis war. Als dann aber zahlreiche Demokraten in Folge seines Fernsehduells mit Trump seine Kandidatur im November in Frage stellten, wurde die Sache zur günstigen Gelegenheit. Ein Gesetz im Bundesstaat Ohio verlangt, dass die Kandidaten für Präsidentenwahlen spätestens 90 Tage vor der Wahl dem Wahlleiter gemeldet werden müssen, um auf dem Stimmzettel zu stehen. Da die Wahl am 5. November stattfindet, die Demokraten ihren Parteitag aber erst am 19. August beginnen, drohte der Partei, dass der Name des Amtsinhabers nicht auf dem Stimmzettel stehen würde. Der DNC entschied, eine virtuelle Nominierung bis zum 7. August vorzulagern, die dann später in Chicago wiederholt werden sollte.
Es sollten Fakten geschaffen werden
Als dann die Debatte darüber begann, ob Biden das Zeug für vier Jahre im Amt habe, wischte der Präsident alle Bedenken beiseite und bekräftigte seinen Willen, im Rennen zu bleiben. Schon bald hieß es, der DNC erwäge, die virtuelle Nominierung vorzuziehen, um Fakten zu schaffen. Einmal aufgestellt, würden die Zweifel an Biden verfliegen, so die Hoffnung seiner Unterstützer. Das Problem: Obwohl die Demokraten mit der virtuellen Nominierung eine Lösung für das Problem in Ohio gefunden hatten, änderte das Parlament in Columbus schon Ende Mai den Passus auf Bitten von Gouverneur Mike DeWine und verkürzte die Frist auf 74 Tage. Der Republikaner war zu dem Ergebnis gekommen, dass Ohio eine gesetzliche Möglichkeit schaffen müsse, den Amtsinhaber auf den Stimmzettel zu schreiben, ohne die Demokraten zu einer Vornominierung zu nötigen.
Da der DNC aber auch nach Änderung der Landes-Statuten an seinen Plänen festhielt, Biden vorher schon virtuell aufzustellen, wurde offensichtlich, dass es der Parteiorganisation um etwas anderes ging. Auf die Kritik an diesem Manöver reagierte der DNC am Mittwoch: Man bestätige, dass es keine virtuelle Nominierung vor dem 1. August geben werden, hieß es in einem Schreiben der Parteiorganisation. Zuvor hatte der DNC geplant, die Abstimmung in den Juli vorzuziehen. Angeblich hat Chuck Schumer, der Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, intern darauf gedrungen, dass die virtuelle Nominierung nicht vorgezogen werde. Er habe sich mit Hakeem Jeffries, dem Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, besprochen; beide hätten darin übereingestimmt, dass die virtuelle Nominierung in der ersten Augustwoche stattfinden solle. Am Mittwochabend berichtete die „Washington Post“, Schumer und Jeffries hätten Biden in getrennten Treffen in der vergangenen Woche zu verdeutlichen versucht, wenn er im Rennen bleibe, gefährde er die Möglichkeit der Demokraten, zumindest eine der beiden Kongresskammern zu kontrollieren.
14 Tage, um einen Starrkopf zu überzeugen
Die Biden-Kritiker haben noch zwei Wochen, den Amtsinhaber zu überzeugen, aus dem Rennen auszusteigen. Die Debatte über den 81 Jahre alten Präsidenten nimmt auch schon wieder an Fahrt auf: Adam Schiff, Abgeordneter aus Kalifornien, rief Biden auf, auf eine Kandidatur zu verzichten. Er habe ernste Zweifel, dass der Präsident seinen Herausforderer Trump im November besiegen könne. Schiff ist nicht irgendjemand im Repräsentantenhaus. Im November kandidiert für den Senatsposten, der nach dem Tod Dianne Feinsteins freigeworden war. In den Vorwahlen wurde er dabei von Nancy Pelosi unterstützt, der früheren Sprecherin des Repräsentantenhauses, die lange vertrauensvoll mit Schiff zusammengearbeitet hat, vor allem im Impeachment-Verfahren gegen Trump.
Pelosi hat sich selbst noch nicht offen gegen Biden gestellt. Doch hatte die langjährige Frontfrau der Partei ihn in der vergangenen Woche aufgefordert, schnell eine Entscheidung über seine Kandidatur zu treffen, da die Zeit knapp werde. Da Biden zu diesem Zeitpunkt längst mehrfach bekräftigt hatte, der Kandidat seiner Partei zu bleiben, wurde Pelosis Bemerkung allseits als Versuch gewertet, Biden die Möglichkeit zu geben, in Würde beiseitezutreten.
Die Zeit dafür läuft nun aus. Nach dem Parteitag der Republikaner in Milwaukee müssen die Parteigranden der Demokraten öffentlich Farbe bekennen: Schumer, Jeffries, aber auch die ältere Garde: Pelosi und vor allem Barack Obama. Letztere beiden sollen schon miteinander über die Causa Biden gesprochen haben.
Für Biden kommen die Einschläge immer näher. Und es scheint auch nichts auszubleiben: Am Mittwoch wurde er während einer Wahlkampftour in Nevada positiv auf Covid getestet, sagte alle Termine ab und flog zurück nach Delaware.
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