Nick Carter weiß nur zu genau, wie er sich auf der Bühne des Frankfurter Zoom im Rampenlicht inszenieren muss, um dieses wohlig-nervöse Kollektivkreischen bei der Besucherschar zu initiieren: ein überwiegend weibliches Auditorium mit Herrenanteil nur in homöopathischer Potenz. Bei ihm sitzt jede Geste, jede Mimik ebenso perfekt wie seine blonde Undercut-Frisur und die diversen Textilien seiner mehrmaligen Kostümwechsel.
Und was er da in salbungsvollen Worten von sich gibt, mag zwar auf den ersten Eindruck spontan wirken, dürfte aber einem Drehbuch gleich zuvor exakt ausgetüfelte Scripted Reality sein. Gelernt ist schließlich gelernt. Oder, wie es der 44 Jahre alte amerikanische Vokalist, Tänzer und Schauspieler zwischen zwei seiner Songs formuliert: „Ich sah und erlebte in meiner Zeit hier auf Erden schon so viele Dinge, damit ließen sich locker gleich mehrere Leben füllen“. Darunter befand sich auch extrem Unschönes wie eine von physischer wie mentaler Gewalt bestimmte Kindheit und Jugend sowie der frühe Tod dreier seiner vier Geschwister. Ihn ereilten aber auch diverse Anklagen wegen allerlei Vergehen bis hin zu sexuellen Übergriffen und Vergewaltigung.
Carter, Initiator der 1993 in Orlando, Florida, mit vier weiteren männlichen Teenagern gegründeten, von 1995 an global populären Boy Group Backstreet Boys, dürfte also tatsächlich reichlich Lebenserfahrung gesammelt haben. Vor allem dürfte er zu jener Erkenntnis gelangt sein, die ein verkürztes Zitat des griechischen Philosophen Aristoteles in der Popkultur widerspiegelt: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“ Was exakt auf die Backstreet Boys zutrifft. Sind doch sämtliche Versuche Carters, auch solistisch im großen Stil Fuß zu fassen, mit gerade mal moderatem Erfolg beschieden gewesen, sei es nun als Musiker, als Schauspieler oder was er sonst noch in Angriff genommen hat. Seinen vier Kollegen erging es nicht viel anders.
Herz-Schmerz-Ohrwürmer
Unter mild ironischem Motto „Who I Am World Tour 2024“ leistet sich Carter nun eine Gastspielreise durch die deutsche Clublandschaft. Im Schlepptau befinden sich ein Schlagzeuger sowie ein Multiinstrumentalist an Keyboards und E-Gitarre. Der Rest der musikalischen Beschallung stammt aus der digitalen Konserve. Eine effiziente Minimalbesetzung. Auf seine Kosten kommt das Publikum dennoch. Exakt zwei Dutzend Songs hakt Carter da mit seiner sauberen Musicalstimme ab.
Da finden sich mit „Superman“, „Help Me“, „I Got You“ und „Get Over Me“ einige wenige Auszüge aus seinen Solosalben. Mit viel Passion serviert er diverse Coverversionen, die er als Prä-Teenager schon favorisierte, darunter Corey Harts „Sunglasses At Night“, Simple Minds’ „Don’t You (Forget About Me)“, Bon Jovis „Wanted Dead Or Alive“ und Tears For Fears’ „Everybody Wants To Rule The World“.
Den Löwenanteil stellen indes diverse Gassenhauer der Backstreet Boys. Was den Damen jeweils Lustschreie der Verzückung entlockt. Da lässt es sich mit strammen Herz-Schmerz-Ohrwürmen wie „Shape Of My Heart“, „Quit Playing Games (With My Heart)“ und „Show Me The Meaning Of Being Lonely“ wunderbar in der Vergangenheit schwelgen. Etwas befremdlich wirkt das Intermezzo des Gitarristen, der leidlich „Wonderwall“ von Oasis interpretiert, während Carter einmal mehr aus dem Rampenlicht entschwindet, um sich neu einzukleiden. Auf Nummer sicher geht auch das Finale: „As Long As You Love Me“, „I Want It That Way“ und „Everybody (Backstreet’s Back)“ stammen ebenfalls allesamt aus dem Songkatalog der Backstreet Boys.
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