In der Ukraine hat es sich bewährt, nun kann auch die Bundeswehr auf die Flugabwehr Iris-T zurückgreifen. Am Mittwoch wurde das Luftverteidigungssystem bei der Flugabwehrraketengruppe 61 im schleswig-holsteinischen Todendorf in Dienst gestellt. Iris-T SLM kann gegen feindliche Drohnen, Kampfflugzeuge, Hubschrauber oder Marschflugkörper eingesetzt werden – und soll eine Fähigkeitslücke in der deutschen und europäischen Luftverteidigung schließen.
Iris-T SLM gilt als eines der modernsten Flugabwehrsysteme der Welt. Es dient dem Schutz von bewohnten Gebieten, Gebäuden und Anlagen. Mit einer hohen Feuerkraft und einem 360-Grad-Rundumschutz können mehrere Ziele gleichzeitig bekämpft werden – in vierzig Kilometern Entfernung und in einer Höhe von zwanzig Kilometern. Die Indienststellung mache die „Zeitenwende fassbar“, sagte ein Sprecher der Luftwaffe der F.A.Z. am Mittwoch. „Es ist das erste System, das in der Zeitenwende beschafft wurde – und jetzt ist es hier.“
Extrem hohe Trefferquote in der Ukraine
Kiew, das von Berlin bereits vier Iris-T SLM bekommen hat, lobt das System fast überschwänglich. Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einer „brillanten“ Flugabwehr, laut Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko hat es Tausende Menschenleben gerettet: Jeder Schuss sei ein Treffer. Auch vom deutschen Hersteller Diehl Defence heißt es, dass das System eine Trefferquote von fast hundert Prozent habe. Neben dieser Version übergab Deutschland der Ukraine bislang auch drei verwandte Systeme vom Typ Iris-T SLS, das eine kürzere Reichweite hat. Berlin will Kiew künftig noch acht weitere Iris-T SLM und neun Iris-T SLS übergeben. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte am Mittwoch an: „Jeweils zwei davon werden noch dieses Jahr geliefert, der Rest ab 2025.“
Die verheerenden russischen Luftangriffe auf ukrainische Städte haben die Bedeutung einer wirkungsvollen Flugabwehr mit voller Wucht ins öffentliche und politische Bewusstsein zurückgeholt. Kritiker bemängeln, dass Deutschland hier lange viel zu wenig getan habe. Scholz begründete die Anschaffung der Iris-T-Systeme bei der feierlichen Indienststellung in Todendorf mit der massiven Aufrüstung Russlands unter Präsident Wladimir Putin: „Er hat Raketen bis nach Kaliningrad verlegt – Luftlinie 530 Kilometer von Berlin. Darauf nicht angemessen zu reagieren, wäre fahrlässig.“
Im Juni vergangenen Jahres billigte der Haushaltsausschuss des Bundestages die Beschaffung von sechs Iris-T-SLM-Feuereinheiten. Der Preis der Systeme und der dazugehörigen Lenkflugkörper wird auf 950 Millionen Euro beziffert. Sie sollen aus dem Sondervermögen der Bundeswehr bezahlt werden. Die Serienauslieferung ist ab Ende 2025 geplant, bis 2027 sollen alle sechs Systeme in Deutschland einsatzbereit sein.
Schnelle Einsatzbereitschaft und hohe Mobilität
Eine Iris-T-Feuereinheit besteht aus mehreren Stargeräten mit jeweils acht bestückten Lenkflugkörpern, dem Feuerleitstand und einem Radar. Die modifizierten Abfangraketen basieren auf Lenkflugkörpern, wie sie von Tornado- und Eurofighter-Kampfflugzeugen abgefeuert werden. Neben der hohen Trefferquote zeichnet sich Iris-T durch seine schnelle Einsatzbereitschaft und hohe Mobilität aus. Es kann innerhalb weniger Minuten auf- und abgebaut werden. Gerade im Krieg muss das schnell gehen: Wenn die Zielerfassung des Radars aktiviert ist, kann auch der Feind das System lokalisieren und bekämpfen.
In der Kampfpraxis erfasst das Multifunktionsradar zunächst das anfliegende Ziel. Daraufhin werden die Lenkflugkörper vertikal gestartet und vom Radar in die Nähe des feindlichen Objekts geleitet. In der Endphase übernimmt dann der in der Abfangrakete integrierte Infrarotsuchkopf die Navigation und trifft das Ziel im besten Fall direkt.
Iris-T soll wichtige Rolle bei europäischer Luftverteidigung spielen
Die Sensorik sei „hervorragend“, sagt Markus Schiller, der an der Universität der Bundeswehr München zu Fernflugkörpern lehrt. Iris-T sei wohl deutlich leistungsfähiger als vergleichbare Systeme aus Russland oder China. Es könne viele unterschiedliche Ziele vom Himmel holen, sei schwer durch elektronische Gegenmaßnahmen zu stören und leicht zu bedienen. Die Bundeswehr verweist zudem auf „eine extrem hohe Manövrierfähigkeit“.
Iris-T soll auch eine zentrale Rolle bei dem von Deutschland initiierten europäischen Luftverteidigungsprojekt European Sky Shield spielen. Hier soll es im sogenannten Nah- und Nächstbereich eingesetzt werden, also im Wesentlichen zum Schutz gegen Drohnen, Marschflugkörper und Hubschrauber. In diesem Bereich wird der europäischen und deutschen Luftverteidigung eine eklatante Fähigkeitslücke attestiert.
Iris-T SLM wird künftig die amerikanische Patriot-Flugabwehr ergänzen, die bereits seit 1989 von der Bundeswehr genutzt wird. Der Kommandeur der Flugabwehrraketengruppe 61, Oberstleutnant Daniel Reif, beschrieb das gegenüber dem Nachrichtenportal „Defence Network“ so: Patriots würden sich künftig auf die Abwehr ballistischer Raketen konzentrierten, während Iris-T den Schutz gegen Drohnen oder Marschflugkörper sicherstelle.
Deutschland hat seine Anstrengungen in der Luftverteidigung zuletzt deutlich erhöht. Neben der Beschaffung weiterer Patriot-Systeme will Berlin sich in Zukunft auch mit dem israelischen Abwehrsystem Arrow 3 rüsten. Es kann ballistische Raketen außerhalb der Erdatmosphäre in einer Höhe von 100 Kilometern bekämpfen. Oberstleutnant Reif sagte, dass Deutschland mit Iris-T, Patriot und Arrow 3 künftig nahezu das gesamte Bedrohungsspektrum abdecke. „Und zwar vom Matsch bis in den Weltraum!“
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