Der von der Polizei in München am Donnerstagvormittag niedergeschossene Angreifer hat insgesamt neun Schüsse abgegeben. Das sagte Polizei-Einsatzleiter Christian Huber in München am Freitag bei einer Pressekonferenz. Mehrere Schüsse seien auf Gebäude, weitere auf Polizisten abgefeuert worden.
Der Schütze habe zwei Schüsse auf das Gebäude des Konsulats abgegeben und dabei Glasscheiben getroffen, sagte Huber weiter. Zuvor habe er versucht, von einem Parkplatz aus über ein Auto den Zaun zum israelischen Generalkonsulat zu überwinden, was ihm aber nicht gelungen sei. Vor den Schüssen auf das Konsulat habe der Angreifer bereits zwei Schüsse aus seiner Waffe auf das NS-Dokumentationszentrum abgegeben. Die Glasfassade und die Eingangstür seien dabei getroffen worden.
Der Mann drang in zwei Gebäude ein, unter anderem in eines der Technischen Universität. In einer Parkanlage wurde er schließlich von fünf Polizeibeamten gestellt. Zwei davon waren an dem Tag für die Sicherung des Generalkonsulats zuständig, zwei andere waren gerade eingetroffen, um sie abzulösen.
Polizei bewertet Schüsse als terroristischen Anschlag
Die Beamten, die mit Pistolen und Maschinenpistolen ausgerüstet waren, forderten den Mann auf, seine Waffe niederzulegen. Das machte er nicht, stattdessen eröffnete er das Feuer auf die Polizisten. Er ging zu Boden, nachdem die Polizisten auf ihn schossen, und versuchte nach Polizeiangaben auch von dort noch, „auf die Polizisten einzuwirken“. Um 9.12 Uhr sei er dann „final bekämpft“ worden, durch eine Vielzahl von Schüssen.
Die Münchner Polizei bewertet die Schüsse in der Nähe des israelischen Generalkonsulats und der NS-Gedenkstätte als „terroristischen Anschlag“. Am Freitag veröffentlichten die Ermittler außerdem weitere Ergebnisse zum Tathergang. Demnach war der von Einsatzkräften erschossene 18 Jahre alte Österreicher mit bosnischen Wurzeln ein Einzeltäter.
Polizeistreife wurde zuvor auf den Angreifer aufmerksam
Die Münchner Polizei machte am Freitag nähere Angaben zum Tathergang. Demnach verließ der Mann gegen 6.30 Uhr die Wohnung der Eltern, in der er lebte. Nachdem er um kurz vor neun Uhr sein in Österreich zugelassenes Auto in Tatortnähe abgestellt hatte, wurde eine Polizeistreife auf ihn aufmerksam. Als diese kehrtmachen wollte, um das Gewehr, das sie als „waffenähnlichen“ Gegenstand wahrgenommen hatte, zu überprüfen, verlor sich zunächst die Spur des Manns.
Bei der vom Mann genutzten Waffe handelt es sich um einen älteren Schweizer Karabiner K31, eine militärische Waffe Kaliber 7,5 mal 55 Millimeter, die nach Polizeiangaben eine „massive Durchschlagskraft“ hat. Waffen dieses Typs seien schon vor etwa 100 Jahren hergestellt worden, so die Polizei. Die Waffe hat ein 6-Schuss-Magazin, im Auto des Täters wurde allerdings eine Packung mit weiteren 50 Schuss gefunden, die offenbar fast leer war. Die Ermittler mutmaßen, dass der Mann die weitere Munition bei sich führte.
Ermittler gehen von islamistischen Motiv aus
Nach dem mutmaßlichen Terroranschlag in München gehen die Ermittler nun Hinweisen auf ein islamistisches beziehungsweise antisemitisches Motiv des Täters nach. Das sei aufgrund der bislang vorliegenden Erkenntnisse die „Arbeitshypothese“, sagte die Leiterin der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus bei der Generalstaatsanwaltschaft München, Gabriele Tilmann. Botschaften des Schützen mit Hinweisen auf ein Motiv seien bisher nicht gefunden worden.
Grundlage für diese Arbeitshypothese seien zum einen die Erkenntnisse österreichischer Behörden, laut denen sich der Achtzehnjährige islamistisch radikalisiert habe, sagte Tilmann. Zum anderen deuteten Tatort und Zeit darauf hin: Es war der Jahrestag des Olympia-Attentats im Jahr 1972. Bei dem Terroranschlag bei den Olympischen Spielen in München hatten am 5. September 1972 palästinensische Terroristen im Olympischen Dorf zwei Männer erschossen und neun Geiseln genommen. Rund 18 Stunden später endete ein Befreiungsversuch mit dem Tod der neun israelischen Geiseln, eines Polizisten und von fünf der Attentäter.
Auch Tilmann sagte, dass es bisher keine Hinweise auf Mittäter gebe. Es müsse dennoch ermittelt werden, ob der 18 Jahre alte Österreicher in irgendeine Art von Netzwerk eingebunden war, sagte sie.
Der Angreifer von München soll jedenfalls Videospiele gespielt haben, in denen Hinrichtungen nachgestellt wurden. Das sagte der Vizepräsident des bayerischen Landeskriminalamtes, Guido Limmer. In diesen Spielen seien Avatare angelegt worden, mit denen derartige Szenarien dann nachgespielt wurden. Als vor einigen Jahren gegen den jungen Mann ermittelt wurde, habe man Material bei ihm gefunden, das auf Sympathien mit der islamistischen Organisation Haiat Tahrir al-Scham (HTS) hindeuteten. Ob er diese auch zuletzt noch hatte oder eher mit dem IS sympathisierte, sei derzeit noch unklar, sagte Tilmann.
Stellen Sie Ihr Wissen im FAZ.NET-News-Quiz unter Beweis, und vergleichen Sie sich mit anderen Lesern.
Zum News-Quiz
“Islamist terror is on the rise again”
The Greens in the Bavarian State Parliament have requested a hearing in the Parliament’s Interior Committee on the Islamist threat in Bavaria. Among other things, the hearing will provide an overview of the situation and address the activities of domestic and foreign actors in the Islamist scene. The role of social distancing in the radicalization of perpetrators will also be discussed, the motion states.
The aim is to identify the potential for radicalization among refugees in shared accommodation and prisons and to clarify the infrastructure and personnel required to combat terrorism. The handling of information from foreign secret services and the question of deporting asylum seekers will also be addressed at the hearing.
The number of jihadist attacks and attempted attacks has increased many times over since Hamas attacked Israel on October 7 last year, according to the motion submitted by parliamentary group leader Katharina Schulze and other Green Party members in the Bavarian state parliament. “Islamist terror is on the rise again.” “That is why we want to get a detailed picture of the threat situation here in Bavaria and analyze what countermeasures need to be taken in response to the changed threat situation.”
#Shots #Munich #Police #announce #status #investigation