Die AfD als Wahlsiegerin, die FDP verschwunden und das BSW als neue Kraft – ein Wahlergebnis wie in Sachsen und Thüringen hat das Land noch nicht erlebt. Für Unternehmer und Wirtschaftsvertreter stellt sich die Frage, was aus diesem landespolitischen Knall für sie folgt. Was wird auf Landesebene überhaupt bestimmt? Und was sind Schnittmengen von CDU und Bündnis Sahra Wagenknecht, die in beiden Ländern tragende Rollen spielen dürften?
Der Einfluss von Landesregierungen wird häufig unterschätzt. Während der Fokus auf der Bundespolitik und der Ampelkoalition in Berlin liegt, gibt es eine ganze Reihe von wirtschaftlich wichtigen Bereichen, die Ländersache sind. Die Bildungspolitik, die eine wichtige Voraussetzung für genügend qualifizierte Nachwuchskräfte in Unternehmen ist, ist das prominenteste Beispiel, aber längst nicht das einzige. Landesregierungen regeln das Baurecht und können auf diese Weise Investitionen erleichtern (oder erschweren). Sie legen milliardenschwere Förderprogramme für den Mittelstand auf und betreiben Innovations- und Branchenförderung. Und auch wie die Verwaltung geführt wird, kann entscheidend sein.
Landesregierungen für Industrieansiedlungen verantwortlich
Konkret zu sehen ist das in Sachsen: Den Grundstein dafür, dass Dresden heute ein Zentrum der Chipindustrie ist, hat in den Jahren nach der Wiedervereinigung der damalige CDU-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf gelegt. Er war überzeugt, dass es spezialisierte Wirtschaftszentren braucht, und er lockte mit Subventionen Unternehmen wie Siemens und AMD nach Dresden. Darauf baut die Landesregierung jetzt auf, wenn – unterstützt mit Fördermitteln in Milliardenhöhe vom Bund – Infineon seine Kapazitäten in Dresden erweitert und TSMC ein neues Werk baut.
Auch bei der Ansiedlung des Elektroautoherstellers Tesla im brandenburgischen Grünheide spielte die Landesregierung eine große Rolle. Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) fand schnell einen Gesprächsdraht zu den Ingenieuren von Tesla. Er drängte darauf, dass sich die öffentliche Verwaltung bei dieser Ansiedlung ähnlich agil zeigte wie das Unternehmen selbst. Auch die Landesregierung Sachsen-Anhalts warf sich mit viel persönlichem Einsatz ins Zeug, um die geplante Fabrik des Chipherstellers Intel nach Magdeburg zu holen. Soeben wurde, ähnlich wie im Fall Tesla nach kurzer Zeit, die Baugenehmigung erteilt.
Grunderwerbssteuer ist Ländersache
Eine weitere wichtige Stellschraube der Länder ist die Festsetzung der Grunderwerbsteuer. Für Hauskäufer ist die Steuer ein großes Ärgernis, für die Länder eine unverzichtbare Einnahmequelle. Bis 2006 bestimmte der Bund die Höhe der Grunderwerbsteuer. Der Steuersatz betrug damals einheitlich 3,5 Prozent. Seit die Länder den Prozentsatz individuell festlegen dürfen, haben etliche kräftig an dieser Schraube gedreht, um ihre Einnahmen zu erhöhen.
Thüringen gehörte mit einem Steuersatz von 6,5 Prozent lange Zeit bundesweit zu den Spitzenreitern. Zum 1. Januar 2024 wurde der Satz auf 5 Prozent gesenkt. Den Druck dafür hatte die CDU aufgebaut, mit Rückendeckung von AfD und FDP. Der rot-rot-grünen Minderheitsregierung blieb am Ende nichts anderes übrig, als der Senkung zuzustimmen. In Sachsen dagegen hat die CDU-geführte Regierung die Grunderwerbsteuer, die lange Zeit bei 3,5 Prozent lag, auf 5,5 Prozent hochgesetzt – was die AfD scharf kritisierte. Die CDU in Sachsen stellte im Wahlkampf ein „Sachsengeld“ in Aussicht, das junge Familien beim Kauf der ersten eigenen Immobilie unterstützen soll. In diesem Fall sollen je Käufer 10.000 Euro, je Kind 5.000 Euro der Steuer erstattet werden. Die Sorge von Mittelschichtsfamilien, sich kein Eigenheim mehr leisten zu können, soll so gelindert werden.
Wie sich die Wirtschaftspolitik in Sachsen und Thüringen genau verändern wird, lässt sich am Tag nach der Wahl nicht exakt vorhersagen. Es zeichnet sich aber ab, dass die AfD in beiden Ländern nicht mitregieren wird. In Erfurt und Dresden könnte das BSW jedoch eine entscheidende Rolle spielen, da die CDU auf Partner angewiesen ist, um Mehrheiten zu erreichen. Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer nannte ein Bündnis mit der Wagenknecht-Partei am Montag „nicht einfach, aber möglich“.
Überschneidungen bei der Bildungspolitik
Schnittmengen beider Parteien gibt es in der Bildungspolitik. Das BSW wirbt damit, mehr Lehrkräfte und Personal an Schulen einstellen zu wollen, den Lehrplan stärker auf Kernkompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen zu konzentrieren und Smartphones und Tablets bis zu 6. Klasse aus den Schulen zu verbannen. Das deckt sich grob mit den „Deutschförderklassen“ sowie den erleichterten Einstellungsverfahren für Lehrkräfte, die die CDU in Thüringen verspricht. Das von ihr vorgeschlagene „Sonderprogramm Digitale Schule“ dürfte ohne Smartphones und Tablets allerdings schwierig umzusetzen sein.
Gefragt nach ihren landespolitischen Schwerpunkten nannte Wagenknecht am Sonntag jenseits der Bildungspolitik vor allem die Stärkung von Regionen, die unter Abwanderung und dem Verlust von Ärzten, Betrieben und schlechter Infrastruktur leiden. Auch hier gibt es kaum Differenzen mit der CDU. Die Stärkung der regionalen Wirtschaft, spielt im „Regierungsprogramm“ der Thüringer CDU eine zentrale Rolle. Einheimischer Rohstoffe wie Holz, Gips, Kies, Sand und Salz sollen stärker in die Wertschöpfungsketten integriert werden, ein „Innovationszentrums Holz“ entstehen und der Tourismus in allen Regionen, insbesondere den Kur- und Erholungsorte, gestärkt werden.
Ob das für eine Koalition reicht, bleibt abzuwarten, immerhin ist Alt-Kommunistin Wagenknecht mit der Forderung nach einem grundlegenden Politikwandel in den Wahlkampf gezogen. Es gibt grundsätzliche Differenzen, wenn es um die Stationierung amerikanischer Waffen in Deutschland und die Positionierung gegenüber Russland – auch in der Energiepolitik – geht. Und auch die für die Unternehmen wichtige Fachkräftepolitik könnte zwischen CDU und BSW stehen. Wagenknecht sagte vergangene Woche während eines Besuchs von Unternehmern im Erzgebirge: „Wenn wir regieren, kann ich nicht versprechen, dass Sie in zwei Jahren die Fachkräfte haben, die Sie brauchen.“ Die Rufe nach Zuwanderung in der Fachkräftedebatte „nerven“ die BWS-Vorsitzende.
In dem Thüringer BSW-Wahlprogramm heißt es zwar, bei „echten Engpässen“ könne die Zuwanderung von Fachkräften „hilfreich sein“; in dem sächsischen Wahlprogramm ist vage von der „Integration von Arbeitskräften aus dem Ausland“ die Rede. Die CDU spricht hingegen in Sachsen davon, „die Strahlkraft Sachsens als attraktives Lebensumfeld für qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland steigern“ zu wollen.
BSW setzt auf Bundesrat
Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat im Vorfeld der Wahlen angekündigt, sich nicht auf landespolitische Themen beschränken zu wollen. Der Hebel dafür ist der Bundesrat. Über eine Initiative will sie sich dort für eine Erhöhung des Mindestlohns auf 14 Euro einsetzen. Außerdem will das BSW über den Bundesrat erreichen, dass die Tarifbindung ausgeweitet wird. Beides würde unternehmen zusätzlich belasten. Kostspielig für Arbeitgeber wären auch Wagenknechts Pläne, das deutsche Rentensystems nach österreichischem Vorbild umzubauen, schon deshalb, weil die Arbeitgeber dort einen höheren Anteil der Beiträge zahlen.
Auch die Steuerpolitik will das BSW über die Länderkammer ändern: Für „Multimillionäre und Milliardäre“ soll die Vermögensteuer wiedereingeführt werden. Die zu erwartenden Einnahmen von rund 73 Milliarden Euro im Jahr sollten den Ländern zugute kommen und dort für „gute Bildung, ordentliche Krankenhäuser und intakte Schulgebäude ausgegeben werden.“ Die Erfolgsaussichten für diese Initiativen erscheinen aber aktuell überschaubar.
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