Wer in Russland Geschäfte machen will, muss auf alles gefasst sein. Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine haben viele westliche Unternehmen einen Rückzug angekündigt. Auch die österreichische Raiffeisen Bank International (RBI) gehört dazu. Doch dürfte sich der geplante Ausstieg des zweitgrößten Geldhauses in Österreich mit einem Beschluss eines russischen Gerichts deutlich erschweren.
Demnach wurde es der Bank per einstweiliger Verfügung verboten, ihre russische Tochtergesellschaft an potentielle Käufer zu veräußern. Wie RBI am Donnerstagabend mitteilte, hält das Management am Vorhaben fest, das Geschäft in Russland zu verringern.
Dem Geldhaus sei es mit der Verfügungsbeschränkung des Gerichts vorerst rechtlich nicht möglich, Aktien der russischen Tochtereinheit zu übertragen und somit Anteile zu verkaufen. Das operative Geschäft der Raiffeisenbank Russland sei davon unbeeinflusst, auch die sonstigen Eigentumsrechte seien nicht beeinträchtigt, erklärte der Sprecher. RBI werde mit allen rechtlichen Mitteln versuchen, die Gerichtsentscheidung rückgängig zu machen, lässt der Vorstand wissen. Den Verkaufsprozess werde dies aber erschweren und „unweigerlich zu Verzögerungen führen“.
Anleger des Spitzeninstituts der Raiffeisenlandesbanken haben auf die Entscheidung nervös reagiert. Der Aktienkurs gab am Freitag um fast sechs Prozent nach und wurde um rund 17 Euro gehandelt. Die Kapitalmarktfachleute der Erste Group sehen die Chancen auf einen von der Raiffeisen angestrebten Russland-Ausstieg in naher Zukunft deutlich verringert. An der Bewertung der RBI-Aktie ändere dies jedoch nichts, kommentierte Experte Thomas Unger. Denn in seinem Bewertungsmodell betrage die Bewertung der Geschäfte in Russland und Belarus schon null.
Hintergrund der Entscheidung ist ein Gerichtsverfahren, das von der Rasperia Trading Limited, die bis vor Kurzem von dem russischen Oligarchen und Investor Oleg Deripaska kontrolliert wurde, gegen den österreichischen Baukonzern Strabag und seine österreichischen Kernaktionäre angestrengt wurde. Die RBI ist zwar nicht Partei in dem Verfahren, die Raiffeisenbank Russland wird in der Klage allerdings als mit den anderen Beklagten in Verbindung stehend genannt.
Die Handlungsoptionen der RBI mit Blick auf ihr Russland-Geschäft sind damit bis auf Weiteres zusätzlich eingeschränkt. Der Vorstandsvorsitzende Johann Strobl hatte zuletzt einen Teilverkauf ins Spiel gebracht, in der Vergangenheit wurde auch eine Abspaltung als Option genannt. Der Versuch, eingefrorene Gelder mithilfe einer komplexen Transaktion aus dem Land zu holen, ist Anfang Mai gescheitert. Dabei sollten ursprünglich von Deripaska gehaltene Anteile an der Strabag von der russischen RBI-Tochter erworben werden und dann als Sachdividende an den Mutterkonzern fließen.
Die Verzögerung des RBI-Rückzugs mittels eines Gerichtsverfahrens erinnert an den Fall des VW-Konzerns, dessen Vermögenswerte in Russland im März vergangenen Jahres ebenfalls auf Beschluss eines russischen Gerichts beschlagnahmt worden waren. Volkswagen hatte sich seit Russlands Überfall auf die Ukraine im Frühjahr 2022 bemüht, einen Käufer für seine russischen Aktiva zu finden. Auch damals ging die Klage von einem Unternehmen mit Verbindung zu Oleg Deripaska aus, nämlich von dem russischen Autohersteller GAZ, der zu Deripaskas Holding gehört und bis zum Frühjahr 2022 Fertigungspartner von VW war. Der Schritt wurde weithin als Versuch gewertet, den Preis der VW-Aktiva zu drücken. Volkswagen verkaufte sie schließlich für einen Bruchteil des tatsächlichen Wertes an eine Finanzholding, hinter der einer der größten russischen Autohändler steht.
Im Fall der RBI könnte Russland aber noch ein anderes Interesse an einer Verzögerung des Rückzugs haben. Sie ist mit Abstand die größte ausländische Bank im Land (vor der italienischen Unicredit und der ungarischen OTP) und eine von wenigen, die nicht von dem internationalen Zahlungssystem Swift abgeschnitten sind oder unter Sanktionen stehen. Damit war sie bisher für viele Firmen wie Privatkunden ein wichtiger Kanal für weltweite Finanztransaktionen. Allerdings hat die RBI Überweisungen in Dollar und Euro für Privatkunden inzwischen gestoppt. Firmenkunden in nicht sanktionierten Branchen könnten jedoch weiterhin auf die RBI-Dienste setzen, teilte die Bank kürzlich mit.
Dass sie vielen Russen als „sicherer Hafen“ für ihre Ersparnisse gilt, zeigt sich auch an den guten Ergebnissen der vergangenen Monate. Obwohl die Bank im Zuge des schrittweisen Rückzugs die Bedingungen für ihre russischen Kunden verschlechtert hat und etwa niedrigere Zinsen bietet als andere russische Institute, entfiel in den ersten sechs Monaten dieses Jahres mehr als die Hälfte des globalen Gewinns der Wiener RBI auf das Geschäft in Russland und Belarus. Dividenden fließen keine nach Wien.
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