Die Spur von Giacomo Bozzoli hat sich verloren. Nach dem wegen Mordes an seinem Onkel Mario Bozzoli rechtskräftig zu 40 Jahren Haft verurteilten Unternehmer wird nun mit internationalem Haftbefehl gesucht. Derweil schießen die Spekulationen über das mögliche Ziel und den Verlauf seiner Flucht ins Kraut. Ist er schon in Marokko oder anderswo in Afrika? Irgendwo auf einem Schiff im Mittelmeer? Noch beim Transit in Spanien oder doch auf dem Balkan, in Albanien oder Montenegro? Jedenfalls wirft der Umstand, dass ein in allen Instanzen verurteilter Mörder seine Flucht ins Ausland offenbar von langer Hand vorbereiten und wie geplant ausführen konnte, kein gutes Licht auf die italienischen Strafverfolgungsbehörden.
Der Fall Bozzoli ist einer der spektakulärsten Kriminalfälle Italiens der vergangenen Jahre. Am 8. Oktober 2015 um 19.12 Uhr rief Mario Bozzoli, 52 Jahre alter Ko-Eigentümer einer Eisengießerei in Marcheno nördlich von Brescia, letztmals seine Frau Irene an. Er werde sich zum vereinbarten Abendessen am Gardasee verspäten, sich rasch noch in der Firma duschen und dann direkt zu dem Restaurant kommen. Dort kam er nicht nur nie an, er verschwand spurlos. Seine Kleidung wurde in der Umkleidekabine des Unternehmens gefunden, sein Auto stand auf dem Parkplatz, sein Handy blieb unauffindbar.
Leiche wohl im Hochofen verbrannt
Nach Überzeugung der Ermittler und der Richter – von der ersten Instanz bis zum Kassationsgericht in Rom – wurde Mario Bozzoli von seinem damals 30 Jahre alten Neffen Giacomo ermordet. Die Leiche soll an Ort und Stelle in einem Hochofen verbrannt worden sein, dabei sollen zwei Arbeiter der Gießerei geholfen haben. Das Motiv für die Bluttat soll ein Streit um die Führung des Familienunternehmens gewesen sein, womöglich auch die Vertuschung krimineller Machenschaften durch einen Zweig der zerstrittenen Unternehmerfamilie.
Die Telefonnummer seines Onkels hatte der verurteilte Täter unter „stronzo“ (Arschloch) auf seinem Handy gespeichert. Eine ehemalige Freundin soll er in Mordpläne eingeweiht und ihr gegenüber Mordphantasien geäußert haben. Einer der verdächtigten Helfershelfer wurde sechs Tage nach dem Verschwinden des Firmenchefs in einem Waldstück tot aufgefunden. Im Magen des Toten wurden Überreste einer Zyankalikapsel gefunden, in seiner Wohnung fand man 5000 Euro in bar – nach Überzeugung der Strafverfolger die „Prämie“ für die Beihilfe zum Mord oder für die Beseitigung der Leiche. Gegen den zweiten verdächtigten Helfershelfer dauern die Ermittlungen an.
Bozzoli bestreitet die Tat
Giacomo Bozzoli hat die Tat stets bestritten. Auch sein Vater Adelio, der gemeinsam mit dem seit fast neun Jahren verschwundenen Bruder Mario das Unternehmen geleitet hatte, beteuerte die Unschuld seines Sohnes. Der blieb nach den Richtersprüchen der Indizienprozesse in erster und zweiter Instanz auf freiem Fuß. Zum letzten Verhandlungstag vor dem Kassationsgericht in Rom erschien Giacomo Bozzoli nicht. Als die Carabinieri ihn nach dessen Urteilsspruch in dritter und letzter Instanz am Abend des 1. Juli in dessen Villa in Soiano del Garda abholen wollten, war er nicht zu Hause. Auch dessen Ehefrau Antonella C. und der gemeinsame achtjährige Sohn waren fort. Seit Tagen schon, wie die Nachbarn mitteilten. Dies bestätigte später auch die Auswertung der Aufnahmen von Überwachungskameras: Darauf ist zu erkennen, dass die Familie mit dem Maserati Levante (Neupreis 150.000 Euro) schon am 23. Juni davongefahren war. Angeblich nach Frankreich und nach Spanien, wo sich die Familie bis zum 30. Juni in Marbella eingemietet hatte. Der Spanienurlaub könnte aber auch eine Finte, eine willentlich gelegte falsche Fährte gewesen sein. Inzwischen sind Antonella C. und ihr Sohn nach Italien zurückgekehrt, mit dem Zug, wie sie sagen. Gegen die Frau wird wegen der Bluttat nicht ermittelt, über den Verbleib ihres Mannes schweigt sie sich aus.
Von Giacomo Bozzoli aber, auch von dem Maserati-SUV, fehlt jede Spur. Alle seine Handys, mit in- und ausländischen SIM-Karten, hatte er zu Hause gelassen. Nach Medienberichten soll der verurteilte Mörder in den vergangenen Jahren Geld in die Schweiz transferiert und „dubiose Kontakte“ in Albanien und Montenegro gepflegt haben. Die Strafverfolger sahen aber offenbar keinen Anlass, den in zwei Instanzen wegen eines Kapitalverbrechens verurteilten Mann genau zu überwachen oder vor dem bevorstehenden Richterspruch in letzter Instanz wegen Fluchtgefahr womöglich in Untersuchungshaft zu nehmen. Er sei zu allen Gerichtsverhandlungen immer zuverlässig erschienen, hieß es zur Begründung. Bis zur letzten – und entscheidenden – am 1. Juli.
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