Mitten im amerikanischen Wahlkampf findet sich der amerikanische Nachrichtensender CNN erneut in rauen Gewässern. Erst im August vergangenen Jahres hatte der britische Medienmanager Mark Thompson die Führung bei CNN übernommen, um den von einer Reihe Skandale erschütterten Sender in ruhigere Gewässer zu steuern – und ihn vom abgeschlagenen dritten Platz, hinter Fox News und MSNBC, wieder an die Spitze zu führen.
Mit einer Reihe hochkarätiger politischer Veranstaltungen, die CNN zuletzt für sich verbuchen konnte – darunter die erste TV-Debatte zwischen den Präsidentschaftskandidaten Joe Biden und Donald Trump im Juni, die später in Bidens Rückzug aus dem Wahlkampf mündete, sowie das erste Interview mit Bidens Nachfolgerin Kamala Harris und deren designiertem Vize Tim Walz – schien der Sender sich tatsächlich im Aufwind zu befinden. Thompson skizzierte Anfang Juli die von ihm avisierte Verwandlung des geschichtsträchtigen Senders in einen digitalen Nachrichtenservice mit milliardenschwerem Abogeschäft.
Doch nun ist CNN abermals in die Kritik geraten: Unter den Teilnehmern eines achtköpfigen Panels mit angeblich völlig unentschiedenen Wählern aus dem wichtigen Bundesstaat Pennsylvania, an deren Reaktionen CNN die Wirkung von Kamala Harris während des Parteitags der Demokraten messen wollte, war auch einer, der offenbar seit langem entschiedener Trump-Befürworter ist. Bryant Rosado gab der Akzeptanzrede von Kamala Harris die Note „D“ (mangelhaft), während sich die anderen Teilnehmer für „A“- und „B“ (sehr gut und gut) entschieden. Sie sei nicht klar genug in Bezug auf ihre Politik gewesen, sagte Rosado, und er wolle persönlich nicht für jemanden stimmen, der ein „Backup“ sei, also zweite Wahl. Als einziger im Panel bekannte er, sich nun für Trump entschieden zu haben; eine Teilnehmerin zeigte sich weiter unentschlossen, die anderen sagten, sie würden für Harris stimmen wollen. Trumps Kampagne und weitere pro-Trump-Accounts verbreiteten die Bemerkungen des „unentschlossenen Wählers“ prompt in den sozialen Netzwerken weiter.
Langjähriger Maga-Anhänger statt unentschlossenem Wähler
Als aber das Online-Magazin „Meidas Touch“ sich die Mühe machte, einen detaillierten Blick auf Rosados Fußabdruck in den sozialen Netzwerken zu werfen, offenbarte sich ein jahrelanger Trump-Fan: Unter anderem hatte er Trumps grimmiges Polizeifoto vom 24. August mit der Unterschrift „Wahleinmischung – Keine Unterwerfung! DonaldJTrump.com“ mehrfach weiterverbreitet und unter anderem dazu geschrieben: „Wir sehen uns am 20. Januar 2025.“ Zudem brachte Rosado Bedauern darüber zum Ausdruck, dass sich Mike Pence am 6. Januar 2021 weigerte, die Wahl zugunsten Trumps zu kippen und schrieb unter die Einlassung von Joe Biden, „unser Planet kann sich weitere vier Jahre unter Donald Trump nicht leisten“, im April 2020: „#Trump2020“, wie „Meidas Touch“ mit Screenshots dokumentierte. Warum CNN sich diese Mühe nicht machte, sondern seinen Zuschauern einen langjährigen Maga-Anhänger als „unentschieden“ verkaufte, steht nun als einigermaßen unbequeme Frage im Raum.
Rosado bekräftige auf X, dass er CNNs Panel-Moderator Gary Tuchman über seine Pro-Trump-Haltung und seine Absicht, für Trump zu stimmen, informiert hatte, als der ihn in einem Restaurant ansprach. „Verrückt ist, dass CNN mich mit dem Wissen eingeladen hat, dass ich ein Trump-Unterstützer bin…“, schrieb Rosado. Er habe deutlich gemacht, dass er plane, für Trump zu stimmen. „Man bat mich, offen zu sein und Kamala eine Chance zu geben, da sie die neue Kandidatin nach Biden ist… und das tat ich!“ Tuchman sagte indes in der CNN-Sendung über die Panel-Teilnehmer, „keiner dieser Leute hat vor heute Abend eine Entscheidung getroffen, für wen sie im November stimmen werden.“ In einem CNN-Statement hieß es, „alle Teilnehmer machten deutlich, dass sie noch keine endgültige Entscheidung getroffen hatten.“ Rosado habe zwar gesagt, dass er in der Vergangenheit Trump unterstützt habe, sich nach Bidens Rückzug aus dem Rennen aber zu einer offenen Haltung bekannt.
Ein „Mediendebakel“ nannte die „National Review“ das Ganze und verwies darauf, dass CNN schon vorher mehrfach versäumt hatte, seine Zuschauer mit der nötigen Sorgfalt über die Teilnehmer von Wählerpanels zu informieren.
So präsentierte Anderson Cooper 2018 seinem Publikum fünf „konservative Frauen aus Florida“, die während der Kongress-Anhörung für Brett Kavanaugh, damals Kandidat für die Ernennung zum Obersten Bundesrichter, Anschuldigungen gegen ihn wegen sexueller Übergriffe in seiner Highschool-Zeit debattieren sollten. Die Frauen zeigten sich erstaunlich gelassen gegenüber den Vorwürfen – wie sich indes herausstellte, waren drei der Frauen nicht bloß Wählerinnen der Republikaner, sondern in unterschiedlichen Funktionen für die Partei tätig. Und als 2015 bei einem Panel eine „Trump-Wählerin“ eine Tirade über Barack Obama losließ, zeigte sich hinterher, dass diese Person als Abgeordnete der Republikaner im Bundesstaat New Hampshire versucht hatte, den Kandidaten Obama vom Wahlzettel zu sperren.
Dies seien, urteilte die „National Review“, nicht bloß Fehler, sondern „womöglich kalkulierter Wille, Zuschauer fehlzuleiten, um aufregendes Fernsehen zu machen“. Für das Publikum von CNN, das vor Thompsons Amtsantritt bereits mit einer Reihe von Skandalen kämpfe – darunter dem desaströsen „Town Hall“-Meeting mit Trump im Mai 2023, das dieser zur Wahlkampfveranstaltung machte sowie die Vermischung der Grenze zwischen Journalismus und Politik im Geplauder zwischen dem später entlassenen Anchor Chris Cuomo und seinem Gouverneurs-Bruder Andrew – steht erneut das Vertrauen in den Sender als „most trusted name in news“ auf dem Spiel.
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