Um die Überfüllung von Gefängnissen im Vereinigten Königreich zu vermindern, erwägt die britische Regierung, Häftlinge nach Estland auszufliegen. Mehrere Medien berichteten am Freitag, dass sowohl die frühere konservative Regierung als auch die aktuelle Labour-Justizministerin Shabana Mahmood mit der estnischen Seite Verhandlungen geführt haben. Der frühere konservative Justizminister Alex Chalk hatte schon im vergangenen Jahr mit der Idee geliebäugelt, war damals von der noch oppositionellen Labour-Partei dafür vehement kritisiert worden.
Die estnische Justizministerin Liisa Pakosta sagte der Zeitung „Daily Telegraph“, eine Partnerschaft zur Unterbringung Gefangener könne die beiderseitige Zusammenarbeit stärken „und weitere Gelegenheiten bieten, voneinander zu lernen und zu profitieren“. Die Vereinigung der englischen Gefängnisdirektoren gab unterdessen an, die vorzeitige Entlassung von Straftätern, mit der nächste Woche begonnen werden soll, werde weniger Entlastung schaffen als erhofft. Die neue Regierung hat auch hier Pläne ihrer Vorgänger aufgegriffen und entschieden, Straftäter bis auf Weiteres schon nach Verbüßung von 40 Prozent ihrer Haftzeit wieder auf freien Fuß zu setzen. Kapitalverbrecher und Sexualstraftäter sind davon allerdings ausgenommen.
Stamp-Äußerung zu Ruanda erregt Aufsehen
Unterdessen fühlen sich die britischen Konservativen durch eine Wortmeldung aus Deutschland bestärkt in ihrer Haltung, dass die Abschiebepläne für irreguläre Migranten nach Ruanda hätten weiter verfolgt werden müssen. Der Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Joachim Stamp (FDP), hatte am Donnerstag die Überlegung geäußert, dass Deutschland die Infrastruktur in Ruanda nutzen könnte, um abgelehnte Asylbewerber zu beherbergen. Die ruandische Regierung hatte in Erwartung von Abschiebungen aus Großbritannien in der Hauptstadt Kigali unter anderem ein Gebäude namens „Hostel der Hoffnung“ hergerichtet. Die früheren konservativen Innenminister James Cleverly und Suella Braverman werteten Stamps Äußerungen als Beleg dafür, dass ihre Ruanda-Pläne richtig gewesen seien.
Die neue Labour-Innenministerin Yvette Cooper hatte die Abschiebepläne nach Ruanda sofort nach ihrer Amtsübernahme aufgegeben und argumentiert, für diesen Plan seien umgerechnet mehr als 850 Millionen Euro ausgegeben worden, ohne dass eine einzige Abschiebung habe erfolgen können; es habe lediglich vier freiwillige Ausreisen nach Ruanda gegeben. Zu den Abschiebungen kam es vor allem deswegen nicht, weil die Regierung zuvor Gerichtsverfahren von Abschiebekandidaten erwartete, die sich gegen Einschränkungen ihrer Klagemöglichkeiten gerichtet hätten und dagegen, dass das Ruanda-Gesetz Ministern vorschrieb, Gerichtsurteile zu missachten.
Nachdem sich am Mittwoch die größte Flüchtlingstragödie dieses Jahres im Ärmelkanal ereignet hatte, hielt Innenministerin Cooper am Freitag eine Sitzung mit Außenminister David Lammy und den Chefs der Kriminal- und Grenzbehörden ab. Das Innenministerium wollte den Vorfall, bei dem zwölf Insassen eines überfüllten Schlauchbootes ertranken auch als eine Art Erfolg sehen: Es gebe Informationen, dass die Menschenschmuggler zu extremen Maßnahmen griffen, mehr Flüchtlinge in die Boote stopften und die Zahlungen für die Überfahrt erhöhten. Daran zeige sich, „dass das Geschäftsmodell der Schmuggler von den Aktionen britischer und anderer Sicherheitsbehörden zunehmend unter Druck gesetzt wird“.
#Estonia #London #fly #criminals