Es wird hochkarätig in der Schweiz: Am 12. und 13. September veranstaltet das Berner Traditionshaus Kornfeld in den gerade sanierten und erweiterten Räumen der Villa Thurmau seine jährlichen Auktionen mit Kunst des 19. bis 21 Jahrhunderts und Papierarbeiten Alter Meister. Dieses Mal wird die Offerte um einen Großteil der Sammlung des im vergangenen Jahr kurz vor seinem hundertsten Geburtstag verstorbenen Kunsthändlers, Auktionators und Leiters des Hauses, Eberhard W. Kornfeld, erweitert. Der Patron „Ebi“, wie er in der Kunstszene genannt wurde, konnte nicht nur auf eine beispielhafte Firmengeschichte zurückblicken, sondern trug auch eine der bedeutendsten Schweizer Privatsammlungen der Nachkriegszeit zusammen.
1951, im Alter von 28 Jahren, übernahm Kornfeld die Leitung des Auktionshauses Gutekunst & Klipstein, in dem er seit 1945 gearbeitet hatte und das von 1972 an seinen Namen tragen sollte. Der passionierte Sammler pflegte Freundschaften zu zahlreichen Künstlern. Besonders die Giacometti-Familie und Ernst Ludwig Kirchner hatten es ihm angetan.
Engagement für Kirchners Kunst
In den Sechzigerjahren erwarb Kornfeld die von Kirchner bewohnten Häuser in Davos, stattete sie mit Originalmöbeln aus und verwandelte sie in ein Museum. Kirchners wichtiges Gemälde „Die Rückkehr der Tiere“ schenkte er 2017 dem Kunstmuseum seiner Heimatstadt Basel; nach Kornfelds Tod erhielt das Kunstmuseum Bern neben anderen musealen Werken Kirchners „Junkerboden“ von 1919.
Mehr als fünfzig Jahre war der Expressionist einer der Hauskünstler Kornfelds, zahlreiche Werke des Malers schmückten seine Sammlung – von denen nun 41 in einer gesonderten Auktion zum Aufruf kommen. Die Offerte umfasst hauptsächlich frühe Zeichnungen und seltene Druckzustände der Kirchner-Grafik, ergänzt durch drei Holzplastiken und fünf Gemälde. Das 1910 entstandene Ölbild des beliebten Brücke-Modells „Fränzi mit Freundin (Zwei liegende Akte)“ hatte sich Kornfeld 1974 selbst in seiner Auktion zugeschlagen; nun soll es eine Million Franken einbringen. Im selben Jahr malte Kirchner eine „Windmühle bei Moritzburg“, die mit einer beeindruckenden Ausstellungshistorie aufwarten kann und, taxiert auf 2,25 Millionen Franken, das Spitzenlos der Rubrik ist.
Noch hochpreisiger geht es in der Veranstaltung „Meisterwerke aus der Sammlung Eberhard Kornfelds“ weiter: In fünfzig Losen stellt sie den ausnehmend guten Geschmack des Sammlers unter Beweis, dessen Augenmerk auf Papierarbeiten von Edgar Degas oder Henry Moore ebenso lag wie auf Gemälden und Skulpturen – allen voran der Brüdern Giacometti. Werke von Kornfelds Freund Alberto Giacomettis tragen hier die höchsten Schätzungen: Eine 166 Zentimeter hohe Bronze „Stèle III“ aus dem Jahr 1958 befand sich seit 1959 in Kornfelds Besitz und ist auf 7,5 Millionen Franken taxiert (Exemplar von sechs).
Das Porträt von Giacomettis Bruder Diego mit Rollkragen kommt sowohl als Gipsbüste (Taxe 2,5 Millionen) als auch als Bronze (1,75 Millionen) zum Aufruf, während Alberto Giacomettis Einblick ins eigene Atelier von 1951 und das luftige Bildnis „Femme assise“, das neun Jahre später entstand, mit sechs und fünf Millionen Franken beziffert sind. Von Sam Francis, ebenfalls einem engen Vertrauten Kornfelds, wird das abstrakte Bild „Pairs Summer“ mit einer Schätzung von drei Millionen Franken aufgerufen. Der amerikanische Künstler schuf es 1958. Claude Monets Flussansicht der Seine bei Vetheuil ist bei 2,5 Millionen angesetzt.
Einzig weitere Schweizer Topkünstler wie Ferdinand Hodler, Albert Anker, Cuno Amiet oder Felix Vallotton sucht man vergebens in Kornfelds Privatsammlung – findet sie aber in der Offerte mit „125 ausgewählten Werken“ aus gemischtem Besitz, die das Auktionshaus am 12. September zur Auktion bringt. Hodlers Darstellung vom Thunersee mit Stockhornkette soll zwei Millionen erlösen, Amiets fast abstrakt wirkendes Gemälde „Abendsonne im Winter“ ist auf 500.000 taxiert. Mit 14 Werken steht Paul Klee der Mittelpunkt der Veranstaltung; gekrönt wird sie von seiner Gouache „Choral und Landschaft“ aus dem Jahr 1921 mit einer Taxe von 1,2 Millionen.
Alte Meister stehen auch zum Verkauf
Ebenfalls am 12. September versteigert das Haus 185 Lose mit Grafiken und Zeichnungen Alter Meister, von denen die meisten aus dem Besitz Kornfelds stammen. Der Sammler hatte ein Faible für Arbeiten der niederländischen Schule – bereits 2007 vermachte er dem Kunstmuseum Basel seine umfangreiche Kollektion von Rembrandt-Radierungen, und 2021 folgte die zweite Schenkung.
Insgesamt sind 38 Werke der fünf Saalauktion mit Taxen meist weit über der Millionengrenze versehen. Diese Schätzpreise sind zwar keine Mindestpreise, aber eine deutliche Ansage an den Kunstmarkt – hat das Auktionshaus die Werke doch an den Verkaufspreisen des vergangenen Jahrzehnts orientiert, ungeachtet der Inflation und den sinkenden Umsätzen im Auktionsgeschäft. Ebenso seien der Neubau und die Modernisierung der Firmenräume ein Zeichen in Richtung Zukunft, betont Bernhard Bischoff auf Nachfrage. Der ehemalige Berner Galerist ist seit 2013 als Partner und designierter Nachfolger von Kornfeld im Unternehmen tätig. Die Gesamterwartung aller Auktionen beläuft sich nach Bischoffs Aussage auf knapp 100 Millionen Franken.
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