Alkohol ist für Fluggesellschaften immer ein Thema, weil er in der Luft anders wirkt als am Boden. Es ist wie beim Bergsteigen: Die Luft ist dünner, der Sauerstoffgehalt im Blut nimmt ab, Alkohol wird anders verarbeitet. Aber zumindest bei meiner Fluggesellschaft laufen 99 Prozent der Flüge ohne Gewalt über die Bühne. Passagiere werden nicht täglich aggressiv an Bord. Die fallen meistens schon am Boden auf.
Das Personal am Boden spricht mit dem Kabinenpersonal, und dann wird darüber entschieden, ob wir die Person am Boden lassen. Manchmal kommt auch der Kapitän ans Gate und guckt sich die Person an. Es gibt ja auch sensible Menschen. Jemand, der beschwipst ist, weil er Flugangst hat – davon gibt es viele, ob Geschäfts- oder Privatreisende –, ist anders zu handhaben als die Klischeegruppe, die nach Ibiza oder Palma de Mallorca fliegt. Ein Alkoholiker kann schwerer zu erkennen sein. Wir beobachten beim Boarding genau, wie die Leute in den Flieger hineinlaufen.
Sind Sie schon mal von einem alkoholisierten Passagier angegriffen worden?
Nein. Ich erinnere mich an einen Flug nach São Paulo, da haben wir beschlossen, dass ein Passagier erst mal nichts mehr bekommt – der konnte schon nicht mehr geradeaus laufen. In solchen Situationen versucht man zu vermitteln, ohne dass die Lage eskaliert. Das macht meistens der Flugbegleiter, der den besten Draht zu dem Gast hat.
Wie genau erklärt man einem Fluggast, dass er schon zu viel getrunken hat?
Man bleibt höflich und bei der Wahrheit. Wir erklären auch, dass das bei seiner Einreise zu Problemen führen kann. Wenn der Gast gar nicht einsichtig ist, weisen wir darauf hin, dass wir das Bordrecht haben und man als Passagier die Regeln der Fluggesellschaft unterschrieben hat. Das funktioniert in den meisten Fällen. Gruppen sind gefährlicher. Da picken wir uns meistens den „Anführer“ raus und sprechen mit ihm. Der redet dann mit demjenigen aus der Gruppe, der Unruhe stiftet.
Gibt es Regeln, wie viel man einem Passagier ausschenken darf?
Da wird auf unseren Menschenverstand vertraut. Es gibt Passagiere wie zum Beispiel viele Chinesen, die wenig Alkohol vertragen, weil sie ein Enzym nicht verarbeiten können. Wenn so jemand das dritte Bier bestellt, aber harmlos bleibt, gebe ich ihm noch eins, im Zweifelsfall schläft er dann zehn Stunden. Wir sind ja ununterbrochen in der Kabine präsent und sprechen miteinander. Wenn eine Kollegin kommt und sagt: „Auf 25 C sitzt einer, dem habe ich schon den sechsten Whiskey gebracht, wir sollten jetzt mal langsam machen“, dann wissen wir alle Bescheid. Wenn er dann den achten Whiskey bestellt, kriegt er eben nur noch einen winzigen Schluck. Das merkt der dann gar nicht mehr. Oder wir empfehlen ein Wasser.
Sie hatten Menschen mit Flugangst angesprochen. Würden Sie denen auch vom Alkohol abraten?
Ja. Auch andere Mittel, die bewusstseinsverändernd wirken, sind aus meiner Sicht schlecht, die Folgen sind zu unvorhersehbar. Man kann sich aber an die Crew wenden. Wir haben immer ein offenes Ohr und betreuen Passagiere mit Flugangst gern intensiver. Ich habe einer Dame schon mal eine Stunde lang die Hand gehalten auf einem Flug von London nach Frankfurt, weil sie Angst hatte. Ich habe ihr jedes Wackeln erklärt. Als sie ausstieg, hat sie mich umarmt. Das ging auch ohne Alkohol.
Sehen Sie es wie O’Leary, dass sich immer mehr Menschen betrunken ins Flugzeug setzen?
Da muss man differenzieren, ohne dass ich seine Fluggesellschaft schlechtreden möchte. Es macht einen Unterschied, ob man 20-mal täglich nach Palma fliegt für einen Ticketpreis von 20 Euro oder dreimal für einen Preis ab 300 Euro. Junggesellenabschiede oder Jungsgruppen für einen Wochenendtrip schauen natürlich auf den Preis. Ich finde die Aussagen von O’Leary zu verallgemeinernd.
Er fordert ein Zwei-Getränke-Limit pro Passagier an den Bars in Flughafen. Ist Trinken an britischen oder irischen Flughäfen verbreiteter?
In meinen Augen schon. Ryanair fliegt ja hauptsächlich aus Irland, Schottland und England. Und die Engländer trinken einfach gern. Das verurteile ich gar nicht. Aber ein Pauschallimit für alle ist Quatsch. Wer zum Beispiel einen Aufenthalt von sechs Stunden hat, kann am Flughafen ohne bemerkenswerte Auswirkungen drei Bier trinken.
Es braucht ja auch nicht unbedingt Alkohol, um sich aggressiv zu verhalten.
Natürlich. Seit Corona, finde ich, sind die Menschen generell reizbarer geworden. Während der Pandemie wurden ständig Grenzen aufgezeigt, ich glaube, das war für viele sehr prägend. Wenn einem jetzt der Flugbegleiter eine Kleinigkeit wie einen weiteren Drink verbietet, hat man es satt, sich auch noch das vorschreiben zu lassen. Das war früher anders. Ein leidiges Thema ist zum Beispiel das Handgepäck. Das verstehen die wenigsten, wenn wir das doch verladen müssen, weil wir keinen Platz mehr haben. Da kann es zu hitzigen Diskussionen kommen. Manche denken nur an sich. Aber auf einem Flug mit 200 anderen Gästen ist man eben nicht allein.
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