Die amerikanische Notenbankerin Mary Daly sieht den Zeitpunkt für Zinssenkungen in den Vereinigten Staaten gekommen. Das genaue Vorgehen sei noch unklar, hat die Präsidentin der regionalen Notenbank von San Francisco dem Fernsehsender Bloomberg TV am Montagabend gesagt. Allerdings wären Zinssenkungen in einem „normalen Rhythmus“ angemessen, sollte ihr Hauptszenario einer sich abschwächenden Inflation sowie eines stetigen Arbeitsmarktes eintreten.
Zuvor schon hatte der Präsident der amerikanischen Notenbank Federal Reserve (Fed), Jerome Powell, in seiner Rede beim Notenbankertreffen in Jackson Hole Ende vergangener Woche den Zeitpunkt für eine Zinssenkung als gekommen bezeichnet. Die Finanzmärkte preisen jetzt bis zum Jahresende Zinssenkungen der Fed um 98 Basispunkte (0,98 Prozentpunkte) ein, wie Commerzbank-Ökonom Christoph Balz sagt. Das würde rechnerisch also ungefähr vier Zinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte entsprechen. Es gibt aber nur noch drei Zinssitzungen der Fed bis zum Jahresende: jeweils im September, November und Dezember; im Oktober findet keine Sitzung statt. Das heißt, wenn keine Sondersitzung einberufen werden sollte, wird ein „großer“ Zinsschritt um 50 Basispunkte erwartet.
Erster Zinsschritt der Fed nach der EZB
„Es gibt kaum noch einen Zweifel daran, dass die Fed am 18. September einen ersten Schritt nach unten machen wird“, sagt Holger Schmieding, der Chefvolkswirt des Hamburger Bankhauses Berenberg. Powell habe das „mit seltener Klarheit“ angekündigt. Schmieding erwartet nun drei Schritte von je einem Viertelprozentpunkt in diesem Jahr, also etwas weniger als der Markt, und dann zwei weitere im ersten Halbjahr 2025. Der Leitzinskorridor würde dann Mitte 2025 bei 4,0 bis 4,25 Prozent liegen.
Auch Ralf Umlauf von der Landesbank Hessen Thüringen (Helaba) hält drei Fed-Zinssenkungen in diesem Jahr um jeweils 25 Basispunkte für realistisch. „Spekulationen auf einen großen Schritt zu Beginn des Zyklus halte ich für überzogen“, sagt er. Der Datenkranz sei noch gemischt: Zwar sei die Arbeitslosenquote gestiegen, sie liege aber noch immer auf einem verhältnismäßig tiefen Niveau. Zudem sei die Beschäftigung bis zuletzt gestiegen.
Ähnlich uneinheitlich sei es bei der Inflation, die zwar gesunken sei, aber mit 2,9 Prozent im Juli die Zielgröße der Fed von 2 Prozent noch nicht erreicht habe, insbesondere abseits von Nahrungsmittelpreisen und Energie. „Darüber hinaus sehen wir insgesamt zwar eine schwächere konjunkturelle Dynamik im zweiten Halbjahr gegenüber den ersten sechs Monaten, jedoch ist die Wirtschaft damit weiterhin auf Wachstumskurs“, sagt Umlauf. Ein schrittweises Agieren der Fed sei aus seiner Sicht „angemessen und wahrscheinlich“. Powell selbst hatte Ausmaß und Timing der Zinssenkungen an die Datenentwicklung, den Ausblick und die Risikoeinschätzungen gekoppelt.
Den US-Arbeitsmarkt im Blick
Die Märkte schwankten in der Einschätzung, ob die Fed gleich im September mit einem großen Zinsschritt um 50 Basispunkte beginnen könnte, schreibt die Deutsche Bank. Als Reaktion auf Powells Äußerungen in Jackson Hole hätten die Märkte die Wahrscheinlichkeit für diese Möglichkeit erhöht, das habe sich jedoch am Montag teilweise wieder umgekehrt. „Unmittelbar vor Powells Rede hatten die Futures eine Zinssenkung um 50 Basispunkte mit einer Wahrscheinlichkeit von 26 Prozent bewertet, die bis zum Handelsschluss am Freitag auf 35 Prozent anstieg, bis zum Dienstagmorgen aber wieder auf 27 Prozent gesunken ist“, berichtet die Deutsche Bank: „Dies entspricht in etwa dem Stand vor Powells Rede, ist aber aus Sicht der Marktteilnehmer immer noch deutlich im Spiel.“
Alle Blicke richteten sich nun auf den amerikanischen Arbeitsmarktbericht für August, der nächste Woche Freitag veröffentlicht wird – also zwölf Tage vor der Fed-Entscheidung.
Fürs nächste Jahr könnte dann manches davon abhängen, wie die Präsidentenwahl in den Vereinigten Staaten ausgeht. Das Bild zu den möglichen Folgen ist aber noch sehr unklar.
„Wir erwarten eine weiche Landung“, schreibt David Page, Head of Macro Research bei Axa Investment Managers: „Daher rechnen wir auch seit jeher damit, dass die Fed die Zinssätze in den kommenden Jahren schrittweise senken wird – gleichzeitig sind wir uns jedoch bewusst, dass eine mögliche Wiederwahl Donald Trumps zum Präsidenten zu neuen Angebotsschocks führen könnte, die den Spielraum der Fed für eine Lockerung einschränken könnten.“
„Die Aussichten für das nächste Jahr hängen von den Wahlen ab: sollte Trump wiedergewählt werden, könnten nur zwei Zinssenkungen im kommenden Jahr erfolgen“, meint Page.
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