Es brauchte 26 Hiebe und 29 Sekunden, um ein erstes Loch in die Vitrine des Juwelenzimmers im Historischen Grünen Gewölbe zu schlagen. Binnen Minuten rissen die Einbrecher die kostbarsten Schmuckstücke der Sammlung aus ihrer Halterung. Anschließend gelang ihnen die Flucht mit der Beute über die Autobahn nach Berlin. Jetzt ist ein Großteil der gestohlenen Objekte wieder zurück. Der Ministerpräsident des Freistaats Sachsen, Michael Kretschmer (CDU), sagte bei der Präsentation der wiedererlangten Juwelen: „Aus dem spektakulären Kunstraub ist ein banaler Diebstahl von Berliner Clankriminellen geworden.“
Der Dresdner Raubüberfall am 25. November 2019 war der größte museale Kunstraub Deutschlands seit 1945. Innerhalb weniger Minuten stahlen die Täter 21 Schmuckstücke aus drei barocken Garnituren – darunter die große Brustschleife der Königin Amalie Auguste sowie die Epaulette mit dem Sächsischen Weißen, einem 50 Karat schweren Diamanten. Mit mehr als 4300 Diamanten und Brillanten bestückt, liegt der Versicherungswert der gesamten Beute bei knapp 117 Millionen Euro – der kulturhistorische Wert des Raubguts hingegen ist unbezahlbar.
Mit Äxten die Vitrinen aufgehackt
Vor dem Raub war die größte Bedrohung für das Grüne Gewölbe der Zweite Weltkrieg und die Bombennächte im Februar 1945. In jener Nacht fingen auch Teile des Dresdner Residenzschlosses Feuer, in dem sich die barocke Schatzkammer befindet. Drei Räume fielen in sich zusammen, fünf weitere konnten nicht mehr betreten werden. Das Grüne Gewölbe war seither eine Ruine. Nach der Wende 1989 beschloss die Stadt Dresden den Wiederaufbau nach historischer Vorlage und gab dafür 45 Millionen Euro aus. Ein Großteil des Geldes floss in die Sicherheit. Für die Ausstellung der Exponate sollte der Raum selbst als Vitrine dienen. Nur ein kleiner Teil der Stücke war hinter Glas geplant, der Rest sollte frei vor den Besuchern liegen. Zusätzliche Sicherheit sollten das Personal und elektronische Maßnahmen bieten. Als die Schatzkammer 2006 nach der jahrelangen Restaurierung Besuchern ihre Türen öffnete, überzeugte das Sicherheitskonzept auch die Fachleute.
Dennoch gelang 13 Jahre später Mitgliedern der Berliner Clanfamilie Remmo der Kunstraub. Die Täter steckten einen Stromkasten im nahe gelegenen Pegelhaus in Brand, sodass die Straßenbeleuchtung vor dem Grünen Gewölbe ausfiel. Gegen fünf Uhr brachen zwei Täter über ein Fenster in den Saal mit den Pretiosen ein. Das Eisengitter vor dem Fenster hatten sie ein paar Tage zuvor aufgesägt und mit Klebestreifen wieder eingesetzt. In der Tatnacht mussten sie das massive Metallstück damit nur noch herunternehmen und sich durch die Öffnung hindurchwinden. Ein Laserscanner, der mögliche Einbrüche verhindern sollte, erfasste ungewöhnliche Vorgänge an der Fassade erst ab einer Höhe von 2,50 Metern, und auch die Überwachungskamera reagierte wegen des Schattens, den der Außenturm warf, nicht auf die Bewegungen.
Der Alarm setzte somit erst ein, als die Täter schon im Pretiosensaal waren. Vor ihnen lagen ungeschützt auf mehr als 200 Quadratmetern goldverzierte Gefäße aus Muscheln und Straußeneiern, mit Edelsteinen und Bergkristallen. Dennoch steuerten die Einbrecher auf das Juwelenzimmer und die hinter Borosilikatglas liegenden Garnituren des Grünen Gewölbes zu. Mit Äxten hackten die Männer die Vitrinen auf. Die Flucht gelang ihnen in einem Audi, den sie später in einer Tiefgarage in Brand setzten. Von dort ging es in einem Mercedes zurück nach Berlin.
Im November 2020 konnten sechs Clanmitglieder festgenommen werden. Fünf von ihnen verurteilte das Landgericht Dresden im Mai 2023 wegen Brandstiftung und Diebstahl zu bis zu sechs Jahren und drei Monaten Haft. Die Revision, die sie nachfolgend einlegten, wurde elf Monate später abgelehnt. Im April 2024 wurde das Urteil rechtskräftig. Aufgrund einer Absprache zwischen der Staatsanwaltschaft und den Anwälten des Clans gaben die Angeklagten einzelne teilweise jedoch schwer beschädigte Schmuckstücke im Tausch gegen einen Verringerung des Strafmaßes zurück.
Zehn Millionen Euro in Sicherheit investiert
„Wenn man von dem kulturhistorischen Wert spricht, ist das Wichtigste der Sammlung jetzt wieder zurück“, sagt Marion Ackermann, die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Durch die Zusammenarbeit von Polizei und Justiz gelang es, ungefähr 90 Prozent der gestohlenen Kunstschätze wiederzuerlangen, darunter zwei Stücke von besonderem kulturhistorischen Wert: der Bruststern des Polnischen Weißen Adler-Ordens sowie ein ebenfalls mit Brillanten verziertes Schmuckstück für den Hut, der Reiherstutz.
Aus der Diamantrosengarnitur sind ein weiterer Hutschmuck, ein Kleinod des Polnischen Weißen Adler-Ordens, sechs Knöpfe, zwei Schuhschnallen, eine Epaulette und der Griff eines Degens zurück in der Sammlung. Aus dem Schmuck der Königinnen konnten die strahlende Sonne, ein Schmuckstück für das Haar der sächsischen Königin aus dem 18. Jahrhundert, sowie ein Schmuckhaken für einen Muff wiedergewonnen werden. Die Epaulette mit dem Sächsischen Weißen hingegen fehlt in der Präsentation der zurückerlangten Juwelen.
Die wiederausgestellten Stücke scheinen unversehrt, doch sind bei dem Raub und auch durch die unsachgemäße Lagerung Schäden entstanden, die das bloße Auge nicht erkennt. Die Generaldirektorin Marion Ackermann geht aber davon aus, dass sie restauriert werden können. Damit werde begonnen, sobald das Gericht die Stücke freigegeben habe. „Wir können den Einbruch nicht ungeschehen machen, aber wir können sicherstellen, dass er so nicht noch einmal passieren kann“, sagt Ackermann.
Um einen Kunstraub wie 2019 zu verhindern, hat der Freistaat Sachsen zehn Millionen Euro investiert, unter anderem wurde mehr Personal eingestellt. Am Dienstag kamen die ersten Besucher, ein Dutzend Kinder im Alter von etwa fünf Jahren durfte die Juwelen erstmals seit dem Raub bestaunen. Von diesem Mittwoch an ist das Grüne Gewölbe mit seinen heimgekehrten Schätzen auch für alle anderen Besucher wieder zugänglich.
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