Sogenannte Gehsteigbelästigungen vor Beratungsstellen für Schwangere können künftig mit einem Bußgeld von bis zu 5000 Euro geahndet werden. Der Bundestag beschloss am Freitag eine entsprechende Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes. Die Ampelkoalition will damit Frauen, die sich zu einem Schwangerschaftsabbruch beraten lassen, besser vor Konfrontationen mit Abtreibungsgegnern schützen. In namentlicher Abstimmung stimmten 381 Abgeordnete für den Gesetzentwurf, 171 lehnten ihn ab.
Mit der Änderung werden bestimmte „nicht hinnehmbare Verhaltensweisen“ untersagt, wie es im Entwurf der Regierung hieß. Im Schwangerschaftskonfliktgesetz wird eine Abstandsregel von 100 Metern zu Eingängen von Kliniken, Praxen und Beratungsstellen ergänzt. In diesem Bereich werden bestimmte Protestformen von Abtreibungsgegnern verboten.
Schwangere und Mitarbeiter von Beratungsstellen, Kliniken oder Praxen dürfen etwa nicht am Betreten oder Verlassen der Einrichtungen gehindert werden. Frauen gegen ihren Willen anzusprechen, sie einzuschüchtern und von einer Abtreibung abhalten zu wollen, wird ebenfalls untersagt. Verstöße dagegen stellen eine Ordnungswidrigkeit dar. Die Beratung ist für Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen wollen, gesetzlich verpflichtend.
FDP-Politikerin Helling-Plahr: Spießrutenlauf verhindern
In der Debatte im Bundestag wägten die Politikerinnen von Ampelkoalition, Union und AfD die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Frauen gegen die Meinungsfreiheit der Abtreibungsgegner ab. Die Grünen-Politikerin Canan Bayram sagte: „Wir wollen mit dem Gesetz eine Schutzzone einrichten, in der Frauen einen ungehinderten Zugang zu Beratungsstellen bekommen, um für sie wichtige Entscheidungen zu treffen.“ Das Handeln der Abtreibungsgegner ginge über eine Schwelle hinaus, die nicht mehr akzeptabel sei. Die Meinungsfreiheit höre dort auf, „wo anderen die Meinung aufgedrängt wird, in einer Art und Weise, wie sie dazu geeignet ist, einen anderen Menschen von seinem Recht abzuhalten“, sagte sie.
Katrin Helling-Plahr, rechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, sagte: „Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie sehr einen ein positiver Schwangerschaftstest auf eine Gefühlsachterbahn schickt.“ Der Gang in eine Schwangerschaftskonfliktberatung sei sicher nicht leicht. Aufgabe des Staats müsse es sein, Frauen, Partnern und Familien in solchen schweren Situationen zur Seite zu stehen. „Dazu gehört auch, sicherzustellen, dass sie Beratungseinrichtungen, Praxen und Kliniken aufsuchen können, ohne von übergriffigen sogenannten Lebensschützern bedrängt zu werden, ohne Spießrutenlauf, ohne aggressive Ansprachen und ohne Drohgebärden.“ Rote Linien würden dann überschritten, wenn militante Personen versuchten, Schwangeren ihre Meinung aufzudrängen.
Katja Mast von der SPD sagte: „Es gibt nur eine einzige Seite, auf die man sich in diesem Konflikt stellen kann. Und das ist die Seite der betroffenen Frauen, die in einer echten Konfliktsituation sind.“
Union gegen pauschale Bannmeile
Die Union kritisierte in der Debatte im Bundestag das Vorhaben der Koalition. Die CDU-Abgeordnete Bettina Margarethe Wiesmann zweifelte daran, dass es eine „ständig mögliche Belästigungssituation“ gäbe. Eine Anfrage der Union bei den Ländern und den Trägern von Beratungsstellen habe ergeben, dass keine Belästigungen im Sinne des Gesetzes registriert worden seien. Eine pauschale Bannmeile nannte sie daher unverhältnismäßig.
Die Gesetzesänderung löse nicht das Grundproblem: Die Spannung zwischen den allgemeinen Persönlichkeitsrechten einer Rat suchenden Schwangeren und den Grundrechten von Menschen, die Abtreibung falsch fänden. Mit der Belästigung erfinde die Koalition eine Art „Nötigung oder Beleidigung light“, sagte Wiesmann weiter.
Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch sagte, Gehsteigbelästigungen, die sie in ihrem Redebeitrag mit den Fingern in Anführungszeichen setzte, seien ein erfundenes Problem. Sie warf der Ampelkoalition vor, damit gegen Christen und Lebensschützer vorzugehen. Das Gesetz atme den Geist „totalitärer grüner Ideologie“.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hatte den Entwurf in Abstimmung mit dem Justiz- und dem Innenministerium erarbeiten lassen. Schwangerschaftsabbrüche sind nach Paragraf 218 des Strafgesetzbuches verboten, bleiben nach vorheriger Beratung bis zur zwölften Schwangerschaftswoche aber straffrei. Mit der Gesetzesänderung setzt die Regierung ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag um.
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