Sven B. versteckt sich hinter einer Aktenmappe, die Fotografen und Kameramänner sollen sein Gesicht nicht einfangen. Der Angeklagte, ein früherer Fußballjugendtrainer, trägt helle Jeans, einen beigen Kapuzenpullover, schwarze Brille. Er ist ein Mann, der sich als unauffällig beschreiben lässt.
Das Frankfurter Landgericht, in dem sein Fall am Dienstag verhandelt wird, hat ihn schon vor gut einem Jahr verurteilt: zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und neun Monaten wegen schwerer Vergewaltigung, sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen sowie weiterer Sexual- und Körperverletzungsdelikte. Angeordnet wurde auch die anschließende Sicherungsverwahrung des Mannes. Doch das Urteil gegen den heute 37 Jahre alten Mann wurde vom Bundesgerichtshof Mitte Februar in Teilen aufgehoben – wegen eines Verfahrensfehlers.
Verfahrensfehler macht neuen Prozess notwendig
Weil die Opfer von Sven B. Kinder oder Jugendliche waren, als er sich an ihnen verging, wurde im Prozess gegen ihn meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt – eine übliche Vorgehensweise, um die noch jungen Zeugen zu schützen. Doch ausgeschlossen wurde die Öffentlichkeit fälschlicherweise einmal auch, als ein Sachverständiger, der Haarproben von B.s Opfern auf Alkohol und Betäubungsmittel untersucht hatte, aussagte. Dieser Fehler macht es notwendig, dass jetzt teilweise noch einmal neu verhandelt werden muss – an einer anderen Kammer des Landgerichts.
Elf Jungen zwischen zehn und 16 Jahren hat der frühere Jugendtrainer missbraucht: So hatte es die Jugendkammer des Frankfurter Landgerichts im ersten Verfahren festgestellt. 69 einzelne Taten wurden B. zur Last gelegt. Er soll die Kinder und Jugendlichen dabei auch über Social-Media-Plattformen unter Druck gesetzt haben. Mittels einer falschen Identität habe er seinen Opfern gedroht, sie zum Trinken von Alkohol und zu sexuellen Handlungen aufgefordert. Danach habe er sich ihnen als Helfer angeboten, um umzusetzen, was der angeblich Unbekannte von ihnen forderte.
Sven B. filmte seine Taten
Nach Überzeugung des Gerichts setzte B. auch Alkohol und Betäubungsmittel ein, um sich die Jungen gefügig zu machen. Er gab ihnen Schokolade oder Getränke, in denen sich die Substanzen befanden. Waren sie bewusstlos, hat er die Jungen in seiner Wohnung in Hattersheim vergewaltigt. Festgestellt hatte das Gericht auch, dass B. kinder- und jugendpornographisches Material hergestellt hat, dass er Videos einiger seiner Taten gemacht hatte.
Kennengelernt haben soll B. seine Opfer in den Fußballmannschaften, die er trainierte. Für verschiedene südhessische Vereine war er aktiv, zuletzt arbeitete der Mann zwei Jahre lang als Jugendtrainer für den Fußball-Drittligisten SV Wehen Wiesbaden. Kinder und Jugendliche des Vereins sollen jedoch nicht zu seinen Opfern gehört haben.
Über sieben von 69 Taten muss nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs nun neu verhandelt werden. Der Angeklagte hofft auf ein milderes Urteil, und darauf, dass keine Sicherungsverwahrung mehr gegen ihn angeordnet wird. Seine Verteidiger hatten schon in einem Vorgespräch versucht, eine Einigung über eine geringere Strafe zu erzielen. Die Staatsanwaltschaft lehnte dies jedoch ab.
„Nicht aufrichtig, sondern unanständig“
B.s Verteidiger berichtet im Gericht, dass der Angeklagte sich bei seinen Opfern entschuldigt und ihnen angeboten hat, ein Schmerzensgeld zu zahlen. Einige sind darauf eingegangen, andere haben das Angebot zurückgewiesen. Die Anwältin eines Nebenklägers zitiert ihren Mandaten mit der Aussage, B.s Entschuldigung sei „nicht aufrichtig, sondern unanständig“.
Sowohl Ankläger als auch Verteidiger wollen erreichen, dass die Jungen nicht noch einmal über das, was ihnen angetan wurde, vor Gericht aussagen müssen. Ziel ist es, dass stattdessen ihre Vernehmungen durch die Polizei vor Gericht verlesen werden. Eines der Opfer hat jedoch erklärt, er wolle noch einmal aussagen.
Verhandelt wird auch an diesem Dienstag die meiste Zeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Vor Publikum vorgelesen wird nur ein „abstrakter Anklagesatz“. Der Angeklagte selbst äußert sich erstmals ausführlich zu den ihm vorgeworfenen Taten, auch das geschieht nicht öffentlich. Als „zäh“ und „nicht besonders ergiebig“ bezeichnet eine Nebenklagevertreterin seine Aussagen später. „Da hatten wir mehr erwartet.“
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