Berlin steht nach dem Votum über die Autozölle mal wieder schlecht da. Die EU-Staaten haben trotz dem von Kanzler Olaf Scholz erzwungenen deutschen „Last-Minute-Nein“ den Weg für Schutzzölle auf Elektroautos aus China frei gemacht. Nur Ungarn, die Slowakei, Slowenien und Malta haben mit Deutschland gestimmt, eine „seltsame“ Allianz. Es zeigt, wie schwach die deutsche Position in der EU inzwischen ist.
Es ist Scholz trotz reger Telefondiplomatie nicht gelungen, ernstzunehmende Alliierte zu sammeln. Geopolitisch ist das deutsche Votum ein Zeichen der Schwäche, ein Kotau vor China. Es untergräbt die Einigkeit der EU und schadet ihrer Glaubwürdigkeit als globaler Akteur. Es mag sein, dass das nur Appeasement gegenüber dem wichtigen Handelspartner China war. Der Ausgang der Abstimmung stand ja fest. Der Eindruck aber bleibt schlecht.
Das ändert indes nichts daran, dass die Zölle falsch sind und Deutschland nicht der einzige Verlierer ist. Verloren hat auch die EU-Kommission. Sie hat nun zwar freie Bahn. Sie kann die Zölle von bis zu 35 Prozent in Kraft setzen. Das erhöht den Druck auf China zu verhandeln. Ein klares Mandat für ihre Handelspolitik aber hat sie nicht erhalten.
Viele Verlierer
Von den wichtigen EU-Staaten haben nur Frankreich, Italien, die Niederlande und Polen für die Zölle gestimmt. Die meisten Staaten haben sich enthalten. Auch hier gilt: Viele mögen das getan haben, um Gegenmaßnahmen zu vermeiden. Dennoch ist die Kommission geschwächt.
Verloren haben – das wird zu häufig übersehen – die Verbraucher. Sie müssen sich auf weniger Wettbewerb im Markt für Elektroautos einstellen. Das reduziert die Auswahl und hält die Preise hoch. Das gilt auch, wenn sich Brüssel und Peking noch einigen und Quoten und Mindestpreise für die Einfuhr von E-Autos vereinbaren.
Verloren hat der Klimaschutz. Die EU gefährdet ihr eigenen Klimaziele wenn sie den Zugang zu günstigen grünen Technologien einschränkt, nur weil diese aus China stammen. Verloren hat die deutsche Autoindustrie, die selbst in China Elektroautos für Europa produziert und China als Absatzmarkt braucht.
Die Mauern werden hochgezogen
Verloren hat der freie Handel, auf dem der Wohlstand der EU beruht. Die Autozölle sind ein weiterer Schritt Richtung Abschottung. Es droht eine Protektionismusspirale. Die EU geht nicht so brachial vor, wie es die USA auch unter Präsident Joe Biden tun. Die USA haben willkürlich Strafzölle von 100 Prozent verhängt. Die Zölle der EU sind niedriger und kommen im Kleid von Antisubventionszöllen, die vordergründig den internationalen Handelsregeln entsprechen. Das Ergebnis ist dasselbe: Die Mauern werden hochgezogen.
Nicht nur die EU-Kommission hält dem entgegen, China lasse den Handelspartnern keine Wahl, da es große Überkapazitäten aufgebaut habe und die Welt mit Produkten überschwemme. Sie will mit den Autozöllen auch ein Zeichen für andere Märkte setzen: Windturbinen, Stahl, Computerchips, Medizinprodukte.
Das zeugt von einem bizarren Verständnis von Handel. Sind es nicht die über den Eigenbedarf hinausgehenden Kapazitäten, die den Handel erst ermöglichen? Das erinnert stark an Bidens Vorgänger, Donald Trump. Es entspringt dem Denken, dass des einen Gewinn, der Verlust des anderen ist, dass Handel ein Nullsummenspiel ist. Wenn man dem folgt, kann die Produktion tatsächlich nur in der EU gehalten werden, wenn man sie den Chinesen wieder wegnimmt.
Erfolg lässt sich nicht von der Politik planen
Wenn es ein Argument für die Zölle gibt, sind das allenfalls die Subventionen der Chinesen. Die sind aber nicht der Hauptgrund für die Schwäche der (Auto-)Industrie in der EU. Es sind Managementfehler und vergleichsweise unattraktive Produktpaletten. Es sind die hohen Energiepreise in der EU, die Bürokratie, die mangelnde Digitalisierung.
Hier muss die Politik ansetzen, um die EU zurück in eine Lage der Stärke zu bringen, statt sich hinter Zöllen zu verstecken. Dazu muss die Kommission sich vom Dogma verabschieden, den Green Deal „auf Zoll komm raus“ zum Industrieerfolg zu machen. Sie ist, im Bann der Subventionsprogramme von China und USA, viel zu sehr vom Irrglauben geleitet, den industriellen Erfolg planen zu können. Dabei sollte die momentane Schwäche der chinesischen Planwirtschaft Mahnung genug sein.
Zölle erkaufen der Industrie im besten Fall Zeit. Eine Garantie dafür, dass diese sie sinnvoll nutzt, wenn der Wettbewerbsdruck wegfällt, gibt es nicht – wie die Erfahrung der Politik der achtziger Jahren gegenüber Japan zeigt. Es ist ja nicht erst Mal, dass Europa glaubt, sich vor einer vermeintlich existenziellen Gefahr aus dem Osten schützen zu müssen.
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