Vor zwei Wochen stellte Matthias Miersch eine Frage. Die Ergebnisse bei den vergangenen Wahlen und die aktuellen Umfrageergebnisse für die SPD bereiteten ihm große Sorgen. „Wie verhält man sich in einer solchen Lage?“, schrieb er auf seiner Internetseite. Seine Antwort: Man übernimmt Verantwortung.
Vor zwei Wochen bestand die erst einmal darin, noch einmal für den Bundestag zu kandidieren. Miersch, 55 Jahre alt, ist seit 2005 Abgeordneter, immer direkt gewählt in Hannover. „Aber im Kern spüre ich, dass ich gerade in diesen Zeiten noch etwas bewegen kann und möchte!“ Das klingt schon fast wie eine Bewerbung für den Posten, von dem Miersch nicht wissen konnte, dass er frei wird. Am Montagabend beschlossen die Parteigremien, dass Miersch Kevin Kühnert nachfolgen und neuer SPD-Generalsekretär werden soll. Er soll wohl kommissarisch das Amt übernehmen und beim Parteitag im Sommer kommenden Jahres gewählt werden.
Ein gut vernetzter Parteilinker
Miersch ist ein Linker, ein Ober-Linker, wenn man so will. Denn schon seit 2015 ist er einer der Sprecher der Parlamentarischen Linken in der Fraktion. Kann das gut gehen? An Kevin Kühnert konnte man gut beobachten, wie das Amt des Generalsekretärs linke Politiker einhegen kann. Dazu kommt: Miersch ist gut vernetzt, wird flügel- und parteiübergreifend geschätzt. Er gehört zu den profilierten Umwelt- und Energiepolitikern seiner Fraktion. Das dürfte im Bundestagswahlkampf noch nützlich sein, denn Kanzler Olaf Scholz und die SPD haben beschlossen, die Rettung von Industrieunternehmen und -arbeitsplätzen zu einem der zentralen Wahlkampfthemen zu machen.
Ein Generalsekretär muss zuspitzen können und den politischen Gegner attackieren. Miersch ist als Linker in Techniken des Attackierens zumindest gut geschult. Er gehört zu jenen Abgeordneten, die sich von Scholz mehr sozialdemokratisches Profil wünschen. Doch Miersch schätzt am Kanzler auch einiges: den analytische Angang – beide sind Anwälte – und die Empathie. Ja, Empathie. Die zeige der Kanzler nämlich regelmäßig vor der Fraktion, verriet Miersch vor kurzem einmal.
Überraschende Karriereoption
Seit 2016 ist Miersch auch stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Er wäre gerne mehr geworden, nämlich Nachfolger von Rolf Mützenich als Fraktionschef. Doch Mützenich macht bislang keine Anstalten, sein Amt aufgeben zu wollen. Nun hat sich für Miersch eine andere, überraschende Karriereoption ergeben. Zwar hat Miersch noch keine Erfahrung im Leiten eines Wahlkampfes. Aber da dürfte der Niedersachse eng mit seinem Landsmann Lars Klingbeil zusammenarbeiten. Der Parteichef hat schon angekündigt, sich während der letzten zwölf Monate vor der Bundestagswahl verstärkt einbringen zu wollen.
Es darf vermutet werden, dass Klingbeil keine Linksverschiebung der SPD zulassen will. Darin sieht er kein Erfolgsrezept. Papiere des linken Parteiflügels, die immer neue milliardenschwere Projekte und Wohltaten fordern, sieht er kritisch. An dieser Stelle droht also ein Konflikt mit dem neuen linken Generalsekretär – oder es bietet sich die Möglichkeit, mit Miersch jemanden einzubinden, der eine Brücke bauen kann zu den Teilen der Partei, die sich zuletzt abgewendet haben. Die vor allem die Verschärfungen in der Migrationspolitik sehr kritisch sehen. In der Debatte gehörte der neue Generalsekretär zu denjenigen, die eher den Ausgleich suchten als Vorwürfe zu machen. Miersch, der in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt, gehörte auch nicht zu den 35 Kritikern in der Fraktion, die Scholz und Co. fremdenfeindliche Politik vorwarfen.
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