Das Landgericht Braunschweig hat Christian B. am Dienstag vom Vorwurf der Vergewaltigung in drei Fällen und dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen freigesprochen. Nach Auffassung der Richter konnte nicht zweifelsfrei festgestellt werden, dass er die Taten begangen hat. Der 47 Jahre alte vorbestrafte Sexualstraftäter wird auch verdächtigt, das britische Mädchen Maddie McCann ermordet zu haben, dieser Vorwurf war allerdings nicht Teil des Verfahrens. Würde das nun verkündete Urteil rechtskräftig, könnte Christian B., der derzeit wegen einer anderen Vergewaltigung in Haft sitzt, 2025 freikommen.
Die Plädoyers in dem seit Februar laufenden Prozess hätten unterschiedlicher nicht ausfallen können: Die Staatsanwaltschaft hatte 15 Jahre Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung beantragt und war damit der Empfehlung eines Gutachters gefolgt, der Christian B. in der „Topliga der Gefährlichkeit“ verortet hatte. Lediglich im Fall einer Vergewaltigung hatte die Staatsanwaltschaft selbst keine ausreichenden Beweise für eine Schuld B.s gesehen. Die Verteidigung hingegen hatte die Vorwürfe allesamt als nicht ausreichend belegt zurückgewiesen und einen Freispruch gefordert.
Ein insgesamt ungewöhnlicher Prozess
Die Verhandlung war nicht nur mit Blick auf die stark voneinander abweichende Argumentation der Verfahrensbeteiligten ungewöhnlich. Zu Prozessbeginn hatte die Kammer nach einem von der Verteidigung gestellten Befangenheitsantrag eine Schöffin vom Verfahren ausgeschlossen. Die ehrenamtliche Richterin hatte in den sozialen Medien zur Tötung eines früheren brasilianischen Präsidenten aufgerufen. Wie die „Braunschweiger Zeitung“ berichtete, wurde sie dafür inzwischen zu einer Geldstrafe auf Bewährung verurteilt. Schöffen entscheiden gemeinsam mit den Berufsrichtern über die Schuld eines Angeklagten.
Der Verlauf der Verhandlung hatte sich im Sinne der Verteidigung entwickelt. Die Aussagen zweier zentraler Zeugen entpuppten sich nach der Auffassung von Christian B.s Anwälten als nicht überzeugend und widersprüchlich. Zudem hob das Gericht im Juli den Untersuchungshaftbefehl gegen Christian B. in diesem Verfahren auf. Für dessen derzeitige Situation machte dieser Beschluss keinen Unterschied, da der gebürtige Würzburger wegen der Vergewaltigung einer Amerikanerin in Portugal im Jahr 2005 eine mehrjährige Haftstrafe verbüßt. Die Aufhebung des Haftbefehls zeigte aber, dass das Gericht inzwischen nicht mehr von einem „dringenden“, sondern lediglich einem „hinreichenden Tatverdacht“ gegen Christian B. ausging.
Befangenheitsanträge und „Taschenspielertrick“-Vorwürfe
Die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung waren sich während des Prozesses verbal hart angegangen. Oberstaatsanwältin Ute Lindemann hatte nach der Entscheidung über den Haftbefehl auch einen Befangenheitsantrag gegen die Berufsrichter der Kammer gestellt, weil sie ihre Argumente als nicht ausreichend gewürdigt sah und der Kammer Einseitigkeit unterstellte. Der Antrag wurde als unbegründet zurückgewiesen. Die Anklägerin hatte der Kammer zudem „absurde“ Befragungsmethoden und den Anwälten von B. mitunter Zeugenmanipulation attestiert.
Die Verteidigung hatte wiederum der Staatsanwaltschaft „Taschenspielertricks“ und einseitige Ermittlungsarbeit vorgeworfen. „Sie haben Berufsrichter, meine Kollegen und mich über weite Strecken polemisch und persönlich angegriffen“, sagte Anwalt Friedrich Fülscher in seinem Plädoyer zu Lindemann. Beide Parteien machten die Medien mitverantwortlich für den Fortgang der Verhandlung. Lindemann bedauerte eine teils „einseitige Berichterstattung“, die Verteidigung sprach von einer „medialen Vorverurteilung“.
Das jetzt gesprochene Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Für den Fortgang der Ermittlungen im Fall Maddie hat der Ausgang dieses Prozesses keine unmittelbare Bedeutung. Im Juni 2020 hatte die Staatsanwaltschaft Braunschweig bekanntgegeben, dass Christian B. verdächtigt wird, für das spurlose Verschwinden des fast vierjährigen britischen Mädchens an der Algarve im Mai 2007 verantwortlich zu sein. Anklage wurde bislang nicht erhoben.
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