Es herrscht Missstimmung zwischen Israel und der UN-Friedenstruppe UNIFIL in Libanon. Die „United Nations Interim Force In Lebanon“ will israelischen Forderungen, sich von einigen Außenposten im Kampfgebiet an der Grenze zu Israel zurückzuziehen, nicht nachgeben. Die Soldaten würden auf ihren Posten bleiben, hieß es zuletzt in einer Stellungnahme.
Manche der UNIFIL-Außenposten liegen nur einen Steinwurf von israelischen Stellungen entfernt. „Man kann ihnen zuwinken“, hatte ein ghanaischer UNIFIL-Soldat im Sommer erklärt, der aber auch von Tagen berichtete, die er wegen des Kämpfe nur „im Bunker“ verbracht habe. Das UNIFIL-Hauptquartier, eine weitläufige Anlage im Ort Naqoura, ist von der israelischen Aufforderung ausgeschlossen. Israel gibt an, es habe über verschiedene Kanäle den Antrag gestellt, einige UNIFIL-Soldaten aus militärischen Einsatzgebieten zu ihrem eigenen Schutz und ihrer eigenen Sicherheit abzuziehen.
Der brüchige Waffenstillstand zwischen Israel und der von Iran gelenkten Hizbullah, den die UNIFIL-Soldaten seit dem Sommerkrieg von 2006 eigentlich überwachen sollten, ist schon lange Geschichte. Nach Monaten der Luftangriffe gibt es jetzt Gefechte am Boden, in einem Fall nur zwei Kilometer von einem Außenposten irischer UNIFIL-Soldaten entfernt. Irland hatte seinen Unwillen, die eigenen UNIFIL-Soldaten zurückzuziehen, auch öffentlich gemacht. In der Nähe des von irischen Soldaten bemannten UNIFIL-Außenpostens arbeiteten israelische Soldaten laut Angaben aus der UN-Truppe zuletzt daran, eine Stellung zu errichten.
Die UNIFIL spricht direkt mit der libanesischen Armee
Die Präsenz im Kampfgebiet ergebe allein durch den Informationsgewinn Sinn, heißt es aus UN-Quellen. Die UNIFIL berichte schließlich auch an den UN-Sicherheitsrat und habe daher immer noch eine wichtige Überwachungsfunktion. Innerhalb von UNIFIL herrschen auch erhebliche Zweifel, dass es Israel wirklich um die Sicherheit der UN-Soldaten geht.
Die israelische Kriegsführung in Libanon wird auch unter westlichen Diplomaten in Beirut als rücksichtslos wahrgenommen. „Eine unserer größten Sorgen ist, dass wir zunehmend Angriffe auf medizinische Infrastruktur wie Kliniken und auch Krankenwagen sehen“, heißt es aus einer westlichen diplomatischen Quelle. „Die israelische Armee sagt, es würden Waffen in Krankenwagen transportiert. Das kann nicht ausgeschlossen werden, aber zur gleichen Zeit muss humanitäres Völkerrecht respektiert werden.“
UNIFIL-Sprecher Andrea Tenenti erklärt gegenüber der F.A.Z., die Beobachtungsfähigkeit der Truppe sei angesichts der Kämpfe begrenzt. Es sei außerdem schwierig, Hilfe für die örtliche Bevölkerung zu leisten. Es hängen noch Tausende im Einsatzgebiet fest, die solche Hilfe dringend brauchen. „Wir bleiben aber trotzdem vor Ort und leisten unseren Beitrag“, sagt Tenenti. Vor allem halte UNIFIL einen wichtigen Kommunikationskanal im sogenannten Deconflicting offen. „Es geht genau darum, humanitäre Aktionen oder Evakuierungen mit den Kriegsparteien zu koordinieren, damit sie nicht unter Feuer genommen werden“, sagt er.
Die israelische Armee verlangt von der Bevölkerung, sich aus einem weiten Teil Südlibanons zurückzuziehen, der bis zum Awali-Fluss erstreckt, der weit nördlich des UNIFIL-Einsatzgebietes auf Höhe der Küstenstadt Saida verläuft. Die UNIFIL spricht direkt mit der libanesischen Armee, diese wiederum hat Kontakt zur Hizbullah. Im Zuge der militärischen Konfrontation mit Israel, die am 8. Oktober von der Hizbullah begonnen wurde, war dieser indirekte Kommunikationskanal immer wieder genutzt worden, um Botschaften auszutauschen, die etwa helfen sollten, eine ungezähmte Eskalation zu vermeiden.
Doch das ist vorbei, seit Israel seine Operation „Nördliche Pfeile“ eröffnet hat und die Luftwaffe heftige Angriffe in Süd- und Ostlibanon sowie den von der Hizbullah kontrollierten südlichen Vorstädten der libanesischen Hauptstadt Beirut fliegt. Jetzt geht es nur noch um Schadenbegrenzung. Auf die Frage, ob die Deconflicting-Bemühungen erfolgreich seien, erwidert Tenenti: „Dazu muss es Bereitschaft von allen Beteiligten geben. Und dafür braucht es größeren internationalen diplomatischen Druck.“
Illusionen, eine gewollte Eskalation abwenden zu können, hat man sich in der etwa 10.000 Mann starken UNIFIL-Truppe nicht hingegeben. Diese konnte helfen, einer ungewollten Eskalation entgegenzuwirken, nicht aber einem sorgfältig geplanten Krieg, wie ihn das israelische Militär jetzt führt.
Die Hizbullah hat ihre militärische Infrastruktur seit 2006 ausgebaut
Dass es überhaupt zu einem solchen Krieg gekommen ist, dafür machen Beobachter indes auch die UNIFIL mitverantwortlich. Die UN-Truppe ist per Mandat zum Zuschauen verdammt. Sie soll die Einhaltung der Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrates überwachen, die eine demilitarisierte Zone in Südlibanon vorsieht. Sie soll von der 1978 gezogenen Blauen Linie bis zum Litani-Fluss knapp 30 Kilometer nach Norden reichen. Außerdem unterstützt die UNIFIL die libanesische Regierung bei der Überwachung ihrer Seegrenzen und im Kampf gegen den Waffenschmuggel; an dieser Mission ist auch die Bundeswehr beteiligt, weshalb ein kleines Kontingent von Soldaten im UNIFIL-Hauptquartier stationiert ist.
Die Hizbullah hatte aber seit dem Krieg von 2006 trotz UNIFIL-Präsenz ihre militärische Infrastruktur ausgebaut. Die UNIFIL kann aber nur Meldungen an die libanesische Armee machen, die der Hizbullah militärisch unterlegen und – gerade in Südlibanon – von der Schiitenorganisation unterwandert ist. UNIFIL-Patrouillen dürfen nicht auf Privatbesitz eindringen. Sie werden außerdem behindert, wenn die Hizbullah angebliche spontane Wutausbrüche örtlicher Bevölkerungen organisiert, um sich Bewegungsfreiheit zu verschaffen. Es hat sogar einen Fall gegeben, bei dem die UN-Truppe von der Hizbullah unter Gewaltandrohung gezwungen wurde, eine Überwachungskamera von einem Außenposten abzumontieren.
Als der UN-Sicherheitsrat Ende August das UNIFIL-Mandat wieder um ein Jahr verlängerte, kritisierte der israelische Repräsentant, „unter der Nase von UNIFIL“ habe die Hizbullah ihr Raketenarsenal in Südlibanon ausgebaut. Es hatte in der militärischen Konfrontation auch Vorfälle gegeben, in denen die Hizbullah bewusst aus er Nähe von UNIFIL-Stellungen auf Israel feuerte. Aus Sicherheitskreisen heißt es, jetzt, da Israel auf militärischem Wege damit aufräume, wolle es „maximale Bewegungsfreiheit“ haben.
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