Bei israelischen Luftangriffen in Libanon sind nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums mehr als 350 Menschen getötet und mehr als 1200 verletzt worden. Unter den Opfern seien auch Frauen, Kinder und Sanitäter. Es ist die höchste Zahl an Toten und Verletzten in Libanon seit Beginn der kriegsähnlichen Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hizbullah vor bald einem Jahr.
Der Sprecher der israelischen Armee, Avichay Adraee, teilte in einem Beitrag auf der Plattform X mit, dass bisher mehr als 300 Hizbullah-Ziele angegriffen worden seien. Israel hat Libanon aufgefordert, die Gebiete zu verlassen, in denen die Miliz seiner Meinung nach Waffen lagert. Als Reaktion darauf beschoss die Hizbullah am Montag den Norden und das Zentrum Israels. Dort wurde wiederholt Raketenalarm ausgelöst.
Am Montagabend hat die israelische Regierung in Erwartung von Gegenschlägen einen landesweiten Ausnahmezustand beschlossen. Laut einem israelischen Regierungsvertreter wurde dies bei einer telefonischen Befragung entschieden. Die Entscheidung bedeutet nach Medienberichten unter anderem, dass die Größe von Versammlungen eingeschränkt werden kann. Bisher hat die Armee allerdings noch keine neuen Anweisungen veröffentlicht.
Zuvor wandte sich Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu an die libanesische Bevölkerung. „Israels Krieg ist nicht mit euch, sondern mit der Hizbullah“, sagte er nach Angaben seines Büros. „Die Hizbullah hat euch schon allzu lange als menschliche Schutzschilde missbraucht.“ Netanjahu sagte, die Hizbullah habe Raketen in Wohnhäusern versteckt, die auf israelische Städte und Bürger gerichtet seien. „Um unser Volk gegen die Hisbollah-Angriffe zu verteidigen, müssen wir diese Waffen unschädlich machen.“
Die israelische Armee habe die libanesischen Bürger gewarnt und aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen. Netanjahu appellierte an das libanesische Volk, diese Warnungen ernst zu nehmen und die Leben ihrer Liebsten nicht zu gefährden. „Erlaubt es der Hizbullah nicht, Libanon in Gefahr zu bringen.“ Sobald der israelische Einsatz abgeschlossen sei, könnten die Einwohner wieder in ihre Wohnorte zurückkehren.
Am Morgen hatte der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant in einem Video angekündigt: „Wir verstärken unsere Angriffe in Libanon. Die Aktionen werden fortgesetzt, bis wir unser Ziel erreicht haben, die Bewohner des Nordens (Israels d. Red.) sicher in ihre Häuser zurückzubringen.“ Weiter sagte er: „Dies sind Tage, in denen die israelische Öffentlichkeit Ruhe bewahren muss.“ Man bereite „einen großangelegten und gezielten Angriff in der Bekaa-Ebene vor.“ Das Bekaa-Tal und der Süden Libanons gelten als Hochburgen der von Iran gelenkten Hizbullah.
Abermalige israelische Angriffe auf Beirut
Die Krankenhäuser in Libanon stellen sich unterdessen auf viele Verletzte ein. Das Gesundheitsministerium forderte die Häuser im Süden und einige im Osten des Landes auf, nicht dringend notwendige Operationen zu verschieben. Damit solle Platz geschaffen werden für Verwundete der sich verstärkenden israelischen Angriffe.
Nach den Angriffen herrscht bei vielen Libanesen im Süden des Landes offenbar Panik. Viele Menschen würden unter anderem aus Vororten der Stadt Tyros im Süden fliehen, sagten Anwohner der Deutschen Presse-Agentur. Einige eilten ins Zentrum der Küstenstadt und zum dortigen Gelände der UN-Beobachtermission UNIFIL. Die Straßen füllten sich mit Autos von Menschen, die wohl in Richtung Beirut oder anderer Orte im Norden des Landes fahren wollten.
Auf den Straßen kam es zum Stau. Es herrsche „Panik und Chaos“, berichteten Augenzeugen. In der Küstenstadt Sidon, die etwa auf halber Strecke zwischen Tyros und Beirut liegt, kam der Verkehr zeitweise komplett zum Erliegen. Autofahrer teilten Videos in sozialen Medien, die zeigen, wie offenbar massenhaft Libanesen in Richtung Norden fahren.
Laut der libanesischen Nachrichtenagentur NNA erhielten Menschen in der Hauptstadt Beirut und anderen Gebieten Libanons Nachrichten auf ihre Festnetztelefone, in denen sie aufgefordert wurden, sich in Sicherheit zu bringen. Am Abend teilte die israelische Armee mit, abermals „gezielte Schläge“ gegen Hamas-Stellungen in Beirut durchgeführt zu haben. Ein israelischer Angriff am Abend auf einen südlichen Vorort der Hauptstadt galt nach Angaben aus Sicherheitskreisen dem ranghohen Hizbullah-Anführer Ali Karaki. Das Schicksal Karakis, des Chefs der Südfront, sei unklar, sagte ein Insider aus Sicherheitskreisen der Nachrichtenagentur Reuters.
Die Schulen im Süden und teils im Osten des Landes blieben geschlossen und sollten auch am Dienstag nicht öffnen. Die aktuelle Lage gefährde die Sicherheit von Schülern, sagte Bildungsminister Abbas al-Halabi. Einige Schulen hätten begonnen, Vertriebene aufzunehmen, und würden in Notunterkünfte verwandelt, sagte Al-Halabi dem Fernsehsender LBCI.
Libanon wirft Israel „Vernichtungskrieg“ vor
Die Regierung in Beirut wirft Israel angesichts der verstärkten Angriffe „einen Vernichtungskrieg in jedem Sinne des Wortes“ vor. Israel verfolge einen „destruktiven Plan“, um libanesische Dörfer und ländliche Gegenden zu zerstören, sagte der geschäftsführende Ministerpräsident Nadschib Mikati in einer Kabinettssitzung. „Wir als Regierung arbeiten daran, diesen neuen Krieg Israels zu stoppen und einen Abstieg ins Unbekannte zu verhindern.“
Israels Armee hatte die Angriffe im Nachbarland in den vergangenen Tagen ausgeweitet. Auch dabei gab es Tote und Verletzte. Die Armee ist Fragen, ob auch eine Bodenoffensive des Militärs möglich sei, bisher ausgewichen. Bei einem Einmarsch israelischer Truppen in Libanon wäre eine noch größere Beteiligung verbündeter Milizen der Hizbullah in der Region oder des Irans nicht ausgeschlossen.
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Hezbollah and Israel have been exchanging fire almost daily for almost a year. More than 500 Hezbollah fighters, two dozen civilians in Lebanon and 48 soldiers and civilians in Israel have been killed. In addition, 150,000 people on both sides of the border have been forced to flee their homes. The warlike conflict has intensified after the explosion of thousands of communications devices in Lebanon and an Israeli attack on the Hezbollah leadership near Beirut that left more than 50 people dead, including civilians, last week.
Hezbollah is now much more heavily armed
Israel and Hezbollah were at war with each other as early as 2006. The Iranian-backed militia is now much more heavily armed than it was during the war almost 20 years ago. According to its own statements, it is acting in solidarity with the Islamist Hamas, which is fighting against Israel in the Gaza Strip. Hezbollah and Hamas are supported by Iran.
Israel’s army has recently reduced the number of its attacks in Gaza and is increasingly concentrating on Hezbollah. Israel wants the militia to withdraw behind the Litani River, 30 kilometers from the border – as stipulated in UN Resolution 1701, which marked the end of the war in 2006. According to the resolution, Hezbollah is not allowed to have any presence along the border. However, this is not being enforced by either the UN observer mission or the Lebanese army. Israel has declared the return of its residents to their homes in the north to be one of the goals of the Gaza war.
Hezbollah has been weakened after several attacks and has recently suffered the heaviest blows in decades. In total, Hezbollah has fired more than 8,800 rockets and drones into Israeli territory in just under a year, the Israeli military said. Before the Hezbollah attacks began on October 8, 2023, estimates of the arsenal were 150,000 rockets, drones and cruise missiles.
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