Die Nachrichten vom Frankfurter Finanzplatz lösen dieser Tage häufig Besorgnis aus. Seit die italienische Unicredit offen über eine Übernahme der Commerzbank nachdenkt, stellen sich die Beschäftigten in der Zentrale am Kaiserplatz die Frage, welche Folgen das für ihren Arbeitsplatz hätte. Derzeit dürften in Frankfurt rund 10.000 Männer und Frauen für das Traditionshaus arbeiten.
Doch trotz dieser Sorgen bei der bezogen auf die Mitarbeiterzahl zweitgrößten Bank in Deutschland entwickelt sich die Beschäftigung am Finanzplatz positiv. So zeigt die jüngste Finanzplatzstudie der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), dass in den Bankentürmen der Stadt im ersten Quartal des laufenden Jahres 70.700 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte tätig waren. Das sind drei Prozent mehr als ein Jahr zuvor.
Die Landesbank stützt sich bei ihrer Untersuchung auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, neben den Mitarbeitern der Banken im Stadtgebiet bezieht die Helaba dabei auch die Beschäftigten der Deutschen Börse in Frankfurt ein.
Frankfurt zementiert mit diesem Aufwind bei der Beschäftigung seine Stellung als wichtigster Finanzplatz in Deutschland. Denn während die Bankbeschäftigung bundesweit insgesamt seit Jahren zurückgeht, vor allem wegen der Schließung Hunderter Filialen, baut Frankfurt in der Branche weiter Stellen auf und wird damit in Relation bedeutsamer.
Derzeit entfallen laut Helaba-Studie elf Prozent der Arbeitsplätze bei Banken in Deutschland auf die Stadt am Main, dahinter folgt München (sechs Prozent). Für die nächsten Jahre rechnet die Helaba damit, dass sich die Dynamik am Arbeitsmarkt fortsetzt: Bis Ende 2025, so lautet die Prognose der Landesbank-Experten, soll die Zahl der Bankbeschäftigten am Finanzplatz um weitere vier Prozent auf 73.500 steigen.
Noch vor wenigen Jahren war die Helaba von einem Rückgang der Beschäftigtenzahlen ausgegangen, was sie mit dem Trend zur Konsolidierung im deutschen Bankensektor begründete. Diese Prognose nahm die Landesbank Anfang 2023 aber zurück und sagte voraus, die Zahl der Bankangestellten in Frankfurt werde bis Ende 2024 auf mehr als 67.000 steigen – eine Zahl, die nun schon zu Jahresbeginn übertroffen wurde.
Priorisierung von Digitalisierung und Nachhaltigkeit
Dass die Banken wieder Stellen aufbauen, liegt laut Studienautorin Ulrike Bischoff unter anderem an sogenannten strategischen Neueinstellungen. Gemeint ist damit die Suche nach Experten, die Banken für die Zukunft brauchen und die keine klassische Bankausbildung haben, sondern besondere Expertise aufweisen auf Feldern wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Regulierung.
Diese Erwartung deckt sich mit Aussagen von Banken am Finanzplatz gegenüber der F.A.Z. Personalchefs verschiedener Institute gaben auf Nachfrage an, dass sich die Jobprofile in Banken derzeit stark veränderten. Gesucht würden immer häufiger Spezialisten für Tätigkeiten außerhalb des klassischen Bankgeschäfts, vor allem aus der Informationstechnologie, aber auch für Themen wie Geldwäsche und Compliance.
Die Helaba-Experten haben in ihrer jüngsten Finanzplatzstudie den Mangel an Fachkräften als eine der wesentlichen Herausforderungen der Banken in Frankfurt ausgemacht. Schließlich schieden auch in der Finanzbranche die starken Babyboomer-Jahrgänge nach und nach aus. So schätzt etwa der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV), dass bei den rund 350 Sparkassen in Deutschland innerhalb der nächsten zehn Jahre rund 45.000 Männer und Frauen in Rente gehen. Bei der Frankfurter Sparkasse verabschiede sich bis 2030 fast jeder dritte Mitarbeiter in den Ruhestand, sagte der Vorstandsvorsitzende Ingo Wiedemeier der F.A.Z.
Komplikationen beim Anwerben von Fachkräften
Daraus folgt in den Bankentürmen die Sorge, künftig über zu wenig Fachkräfte zu verfügen, um die bevorstehenden Aufgaben zu erledigen. In einer Befragung des Center for Financial Studies der Frankfurter Goethe-Universität gaben im Spätsommer zwei Drittel der Finanzinstitute an, dass die Gewinnung sowohl von berufserfahrenen Fach- und Führungskräften als auch von jungen Mitarbeitern schwieriger geworden sei.
Laut Finanzplatz-Spezialistin Bischoff versuchen die Banken, vor allem mit dem Werben um Auszubildende diesem negativen Beschäftigungstrend frühzeitig entgegenzuwirken. Die Helaba selbst hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil der Mitarbeiter unter 30 Jahren bis 2030 auf zehn Prozent zu erhöhen. Bundesweit lag die Zahl der 2023 abgeschlossenen Verträge für eine klassische Bankausbildung mit 8000 um 13 Prozent höher als im Vorjahr. Allein in Frankfurt gab es laut Bundesagentur für Arbeit Anfang 2024 rund 1000 Azubis in den Banktürmen.
Viele Ausbildungsjobs ausgeschrieben, zu wenige besetzt
Nach Einschätzung von Studienautorin Bischoff reagiert die Branche mit verstärkten Investitionen in die Ausbildung auf Personalengpässe, die aufgrund der demographischen Entwicklung schon jetzt aufträten. „Im deutschen Finanzwesen sind etliche Jobs ausgeschrieben“, notiert sie. Über viele Jahre hinweg seien in Frankfurt zu wenige Banker ausgebildet worden.
Um außer Auszubildenden auch Hochschulabsolventen und erfahrene Mitarbeiter zu gewinnen, fragen sich viele Banken entgegen früheren Gewohnheiten schon heute, welche Profile sie in fünf Jahren brauchen. Zudem erarbeiten Banken und Sparkassen neue Konzepte, um ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu verbessern. Beispielsweise eröffnete die Taunus Sparkasse vor einigen Monaten in Höchst ein eigenes Ausbildungszentrum.
Junge Leute erwarteten ein modernes Umfeld und hätten höhere Ansprüche als früher, sagt Vorstandschef Oliver Klink. So müssten sich Unternehmen heute mehr Mühe geben, Nachwuchskräfte zu gewinnen, sogar die Banken, die gewöhnlich gute Gehälter bezahlen. Das neue Azubi-Zentrum setzt auf modernste Technik, Sitzecken, große Bildschirme und einen Tischkicker und soll so auch das Image der verstaubten klassischen Bankausbildung entkräften.
Dazu passt, was die Teilnehmer einer Befragung der Finanzplatzinitiative Germany Finance von Arbeitgebern in der Finanzbranche erwarten: Flexible Arbeitszeiten und Homeoffice werden von den künftigen Beschäftigten als selbstverständlich erachtet. Aber auch attraktive Angebote für Mitarbeiter, etwa Getränke und Snacks, ein Jobrad oder Weiterbildungen, Sportkurse oder Hilfe bei der Wohnungssuche, gehören zu den Wünschen, die potentielle Mitarbeiter an Finanzhäuser formulieren.
Personalberater, die für Banken neues Personal suchen, beobachten seit Monaten in Frankfurt, dass die Mitarbeiter von den Finanzinstituten einen kulturellen Wandel erwarten, also etwa flachere Hierarchien. Zudem müssten Banken jünger, dynamischer und diverser werden. „Wir müssen heute mehr bieten als vor 30 Jahren“, sagt der Chef der Frankfurter Sparkasse, Ingo Wiedemeier.
Trotz dieser Unsicherheiten und unter anderem wegen der Ausbildungsoffensive vieler Banken rechnen die Helaba-Analysten damit, dass die Beschäftigung in den Frankfurter Banken weiter steigt. Zur Begründung ihrer Prognose greift die Landesbank auch auf den Finanzplatzindikator des Center for Financial Studies zurück. Hier habe sich die Beschäftigungskomponente in den vergangenen Jahren oberhalb der Marke von 100 Punkten bewegt, was für eine Expansion bei der Zahl der Arbeitsplätze stehe.
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