Dass Donald J. Trump – nicht zu verwechseln mit Donald J. Harris, dem Vater von Kamala Harris – eine Neigung zur Hillbilly-Kultur hat (Kurzfassung: keine Zähne im Maul, aber La Paloma pfeifen), weiß man seit seinem mutmaßlichen Techtelmechtel mit Stormy Daniels, der Filmemacherin, die laut ihrer Autobiographie aus einem ähnlichen Umfeld stammt wie J.D. Vance, Trumps Mann fürs Amt des Vizepräsidenten.
J.D. ist freilich ganz anders als D.J., zumindest auf den ersten Blick. Während Trump immer schon ein Schulhofrowdy war, hat Vance sich laut seinem Buch „Hillbilly Elegy“, das selbst Olaf Scholz zu Tränen rührte, für die schwächeren Mitschüler eingesetzt. Sinnbildlich dafür steht, dass sein ursprünglicher zweiter Name, der tatsächlich „Donald“ lautete – nach seinem Vater, der die Familie früh verlassen hat –, von der Mutter zu „David“ geändert wurde.
J.D. Vance sah in Trump „Amerikas Hitler“
Man kann verstehen, dass so ein Mann Trump erst einmal nicht gut fand. „I’m a Never Trump guy“, sagte Vance 2016. Seinerzeit titulierte er Trump als „kulturelles Heroin“, und, in einer privaten Nachricht, als „Amerikas Hitler“. Warum hat er sich nun Trump in einer Intensität zugewandt, die man sonst nur aus Stormy Daniels’ Werken kennt? Um das dem Wähler verständlich zu machen, braucht es eine gute Story. Wie sagte die Vorsitzende der bayerischen Grünen, Gisela Sengl: „Unsere Inhalte sind wirklich gut, wir müssen sie einfach näher am Menschen besser erzählen.“
Nun denn: Sowohl Vance als auch Trump haben eine Vorliebe für die Unterwasserwelt. Während Vance sich angeblich zu Delfinen hingezogen fühlt, hat es Trump mit den Haien. Stormy Daniels erzählt in ihrem Buch „In aller Offenheit“, wie er während eines angeblichen Dates auf einem Sofa (!) sitzend die bluttriefende Hai-Doku „Ozean des Schreckens“ angeschaut habe. Seine angebliche Aussage, er hasse Haie und würde womöglich sogar dafür spenden, dass sie alle ausgerottet würden, passt zu seinen Ausführungen im Wahlkampf, wonach er lieber durch einen Stromschlag als durch einen Haiangriff getötet würde.
Man kann Vance’ Wandel kommunikativ aber auch anders verkaufen: Mit (angeblich) Adenauer: Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern? Mit Egon Bahr: Wandel durch Annäherung! Mit Bushido: Zeiten ändern dich. Mit Obama: Change!
Söder attestiert auch sich selbst eine gewisse Geschmeidigkeit
Die beste Story hat aber wieder einmal der ehemalige BR-Journalist Markus Söder gefunden: This is America! Söder selbst sieht sich ja immer mal wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, dass er seine Meinung noch schneller ändere, als die Welt sich drehen kann. Zur Erklärung ist er zunächst in die Vergangenheit abgetaucht. Die Wittelsbacher seien „große Taktiker“ gewesen. Bayern sei Königreich geworden, als sie für Napoleon waren, und „sie blieben Königreich, als sie gegen Napoleon waren“. Seit der Zeit sage man „bayerischen Führungspersönlichkeiten“ eine „gewisse Geschmeidigkeit“ nach.
Die Sätze stammen aus dem Juli 2023, sind also nach Söder’schen Maßstäben fast so alt wie Friedrich Merz. Mittlerweile orientiert er sich lieber an der Zukunft – und den Vereinigten Staaten. „Die Amerikaner haben eine ganz große Begabung, das Gestern irgendwie nicht so ernst zu nehmen“, sagte Söder nach der Kür von J.D. zum Running Mate. „Die schauen immer in die Zukunft.“ Eben das mache sie in vielem stark. Uns Europäer hingegen verwundere manchmal deren „erfrischende Zukunftsbegeisterung“. Mit Blick auf deutsche Zeitungen sagte er, was würden die nach einem Parteitag wie dem der Republikaner alles fragen, „aber Herr Vance, Sie haben doch mal was ganz anderes gesagt . . .“
Et voilà: Die „Süddeutsche Zeitung“ erinnerte am Freitag an Söders Mantra, wonach ein CSU-Chef nur einmal im Leben die Option aufs Kanzleramt habe. Das sei dann wohl 2021 gewesen. Auf die Frage nach seinen Zukunftsplänen (Minister unter Merz?) sagte Söder dann: „Es bleibt dabei: Kanzler oder Ministerpräsident.“ Insbesondere vom raffinierten „Es bleibt dabei“, das Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander aussöhnt, könnten sich sogar J.D. und D.J. noch was abschauen.
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