Nach dem deutlichen Kurssturz an den Aktienmärkten am vergangenen Freitag gehen die Kursverluste am Montag weiter. Grund sind Rezessionssorgen mit Blick auf die Wirtschaft der USA. Auslöser waren schwache US-Arbeitsmarktdaten am Freitag. „Wir haben unsere Wahrscheinlichkeit für eine Rezession in den nächsten 12 Monaten um zehn Prozentpunkte auf 25 Prozent erhöht“, hieß es von den Analysten des Finanzhauses Goldman Sachs in einer jüngsten Studie. Noch pessimistischer zeigen sich die Analysten von JPMorgan, die die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA auf 50 Prozent schätzen. In Erwartung einer konjunkturellen Abkühlung rechnet Goldman Sachs nun mit Zinssenkungen der Fed im September, November und Dezember um jeweils einen Viertelprozentpunkt.
Marktteilnehmer halten es für möglich, dass die Notenbank der USA den richtigen Zeitpunkt verpasst hat, um mit Zinssenkungen zu beginnen. Schlechte Konjunkturnachrichten – vor einiger Zeit noch positiv gewertet, weil sie Hoffnungen auf Zinssenkungen machten – werden nun auch als schlechte Nachrichten wahrgenommen.
Drastisch stürzte in Tokio der 225 Werte umfassende Nikkei-Index ab – der Leitindex der Börse verlor 12,4 Prozent auf 31.458 Zähler. Der Nikkei hatte bis Mitte Juli einen guten Lauf gehabt, seit Anfang 2023 um mehr als 60 Prozent zugelegt und sogar seinen Rekordstand aus dem Jahr 1989 übertroffen. Der Kurssturz vom Montag ist der nach Punkten größte in der Geschichte der Tokioter Börse. Prozentual reiht er sich nach größeren Rücksetzern in den frühen Fünfzigerjahren und dem „Schwarzen Dienstag“ vom Oktober 1987 an Platz fünf ein, seit der Nikkei-Index täglich berechnet wird.
Den größten Abschlag musste der Chiphersteller Tokyo Electron mit einem Minus von mehr als 12 Prozent hinnehmen. Auch andere Indexschwergewichte verbuchten Verluste: Der Bekleidungskonzern Fast Retailing, Eigentümer der Marke Uniqlo, verlor 8 Prozent, während der Technologieinvestor Softbank mehr als 12 Prozent einbüßte. Hart traf es auch Bankentitel. Der Branchenindex wies mit einem Minus von 12 Prozent die schwächste Entwicklung unter den 33 Branchenindizes der Tokioter Börse aufwies. Der breiter gefasste Topix verlor 12,2 Prozent auf 2227 Punkte.
In Japan komme zu den negativen Nachrichten aus den USA eine überfällige Reaktion auf die Abkehr der Bank of Japan von ihrer langjährigen Nullzinspolitik hinzu, meint Grzegorz Drozdz, Marktanalyst von Contoxia.com. Deren Maßnahmen hätten den Yen in den vergangenen Wochen deutlich gestärkt, was sich negativ auf die Rentabilität japanischer Exporteure auswirke. Der Yen hatte Anfang Juli bei 161,59 Yen für den Dollar einen Rekordtiefstand zur US-Währung erreicht. Seitdem wertete er massiv auf zuletzt 142,692 Yen auf – immerhin um 13 Prozent in kürzester Zeit. Für die gleiche Abwertung hatte der Yen von Jahresanfang bis Juli gebraucht.
Wall Street deutlich schwächer erwartet
Am deutschen Aktienmarkt, an dem am vergangenen Freitag der Dax und der marktbreite F.A.Z.-Index um jeweils 2,3 Prozent fielen, geht der Kursrückgang am Montag weiter. Der marktbreite F.A.Z.-Index notiert gegen Mittag knapp 3 Prozent tiefer mit 2422 Punkten. Der Standardwerteindex Dax verliert mit einem Minus von 2,7 Prozent 17.184 Zähler etwas weniger stark.
Deutlich schwächer könnte auch die Wall Street am Nachmittag eröffnen. Der Terminhandel indiziert eine Eröffnung des S&P-500-Index mit 5214 Punkten. Das wären mehr als 100 Punkte weniger als der Schlussstand vom Freitag. Der Terminhandel auf den Nasdaq-100 zeigt für den Technologiewerteindex gar eine Eröffnung mit nur 17.720 Punkten an – mehr als 600 Punkte oder 3,7 Prozent weniger als der Schlussstand vom Freitag.
Bitcoin verliert bis zu 10.000 Dollar
An den Kryptobörsen fielen Bitcoin und Ether auf mehrmonatige Tiefststände. Bitcoin fiel von Freitagmittag bis Montagmorgen um rund 10.000 Dollar auf 50.000 Dollar, stabilisierte sich dann aber oberhalb von 51.000 Dollar. Etherem gaben um rund 700 Dollar bis auf rund 2200 Dollar nach, werden aktuell aber wieder zu 2290 Dollar gehandelt. „Es ist eine große Erinnerung daran, dass Bitcoin und Krypto im Allgemeinen riskante Vermögenswerte sind und sich am äußersten Ende des Risikospektrums befinden“, sagte Tony Sycamore, Marktanalyst bei IG. Bitcoin hat damit die gesamten Gewinne der Februar/März-Rally abgegeben.
Der S&P 500 hatte am Freitag 1,8 Prozent auf 5347 Punkte verloren, der technologielastige Nasdaq 2,4 Prozent auf 18.441 Zähler. In dieser Woche stehen an den US-Börsen wichtige Quartalszahlen an, die Aufschluss über den Zustand der Wirtschaft geben könnten. Besonders im Fokus stehen dabei der Industrieriese Caterpillar und der Medienkonzern Walt Disney, deren Ergebnisse Einblicke in die Lage der Verbraucher und des produzierenden Gewerbes geben dürften.
Im Euroraum blicken die Börsianer mittlerweile auch wieder pessimistischer auf die Konjunktur. Das Sentix-Barometer fiel im August um 6,6 Zähler auf minus 13,9 Punkte. Experten hatten einen geringeren Rückgang erwartet. Besondere Sorgen bereiten den Anlegern der Sentix-Umfrage zufolge die fragile geopolitische Situation, gerade im Nahen Osten, aber auch die im November anstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA und die Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern im September. Mit Blick auf Deutschland fiel der Stimmungseinbruch besonders heftig aus: Das Barometer sank um zwölf Punkte, die Lagebeurteilung fiel auf den schlechtesten Wert seit Juni 2020.
An der türkischen Börse wurde am Montag der Handel zweimal unterbrochen, weil ein automatischer Handelsstopp aktiviert wurde. Der Index BIST-100 der 100 wichtigsten an der Börse Istanbul gelisteten Unternehmen hatte vor dem zweiten Stopp mehr als 7 Prozent verloren. Seit Wiederaufnahme liegt der Index rund 5 Prozent im Minus. Die türkische Lira fiel zum Dollar auf ein Rekordtief von 33,38 Lira je Dollar.
Wenig positiv für den deutschen Aktienmarkt waren auch die Zahlen des Internet-Anbieters United Internet, der seine Prognosen für das Gesamtjahr senkte. Einer der Hauptgründe dafür sind Nachwirkungen eines vorübergehenden Ausfalls des Mobilfunknetzes Ende Mai. Infolge des Netzausfalls sei es zu erhöhten Kündigungsaussprachen gekommen, hieß es. Dadurch werde das Vertragswachstum 2024 niedriger als erwartet ausfallen. Erwartet werde im Gesamtjahr nun ein Umsatz von etwa 6,4 (bislang: 6,5) Milliarden Euro. Der Aktienkurs fällt am Montagmorgen um mehr als 16 Prozent auf 16,41 Euro.
Der aktuelle Abverkauf könne vor allem als Enttäuschung der Marktteilnehmer erklärt werden, die zu euphorisch gestimmt gewesen seien, meint Christian Subbe, Investmentvorstand des Family Offices HQ Trust. An den fundamentalen Daten habe sich nichts Materielles geändert. Dass die Technologieunternehmen stärker unter Druck gerieten als der breite Markt, liege an den höheren Erwartungen.
„In der aktuellen Berichtssaison geben die US-Unternehmen in der Breite gar kein so schlechtes Bild ab. Von allen bereits gemeldeten Zahlen konnten 80 Prozent der Unternehmen die Erwartungen schlagen“, sagt Subbe. Dies könne man auch am gleichgewichteten S&P-500 Index sehen, der wesentlich geringer unter Druck geraten sei.
„Eine Abkühlung der US-Konjunktur wurde erwartet und stellt keine grundsätzliche Überraschung dar. Das Ausmaß und die Geschwindigkeit der aktuellen Daten haben jedoch viele Marktteilnehmer überrascht und in einem saisonal dünnen Markt zu Panikverkäufen geführt.“ Tatsächlich verlor diese am Freitag nur 1,75 Prozent, nachdem er schon eine ganze Weile dem konventionellen S&P-500, in dem die Technologiewerte hoch gewichtet sind, hinterher hinkte.
Kurzfristig erwartet HQ Trust keine Zinssenkung der Fed vor der nächsten Sitzung im September, jedoch dürfte die Rhetorik der Notenbanker weniger rigoros ausfallen. Das dürfte zur Beruhigung der Märkte beitragen. Auch von der Bank of Japan seien Maßnahmen zu erwarten, die die Märkte stabilisieren.
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