Als die deutsche Außenministerin am Donnerstagabend vor die Generalversammlung trat, hatte sich das Weiße Haus gerade über Benjamin Netanjahus jüngste Volte – gelinde gesagt – irritiert gezeigt. Die Biden-Regierung hätte nicht die Initiative für eine 21 Tage währende Waffenruhe zwischen Israel und der Hizbullah vorgelegt, wenn sie nicht gedacht hätte, dass die israelische Regierung an Bord wäre, hieß es aus Washington. John Kirby, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates in Washington, fügte säuerlich hinzu: Er wisse nicht, warum Netanjahu gesagt habe, was er gesagt habe. „Ich weiß nicht, was seine Erwägungen sind, ob sie innenpolitisch sind oder einsatzbedingt.“ Man möge doch bitte den Ministerpräsidenten selbst fragen.
Kirbys Worte geben die gereizte Stimmung unter westlichen Diplomaten gut wieder, nachdem Netanjahu seine Zustimmung zu dem amerikanisch-französischen Vorstoß zurückgezogen hat. Ein Vorstoß, der die Lage in Libanon deeskalieren sollte. Europäische Diplomaten teilen das Unverständnis – wobei viele von ihnen schon die Erfahrung gemacht haben, dass man bei Netanjahu immer mit allem rechnen muss.
Baerbock widmete sich in ihrer Rede in der Generaldebatte der Vereinten Nationen der Lage im Nahen Osten denn auch ausgiebig. Wie immer war es ihr wichtig, darzulegen, wie ausbalanciert die deutsche Position ist: Dauerhafte Sicherheit für Israel sei nur möglich, wenn es dauerhafte Sicherheit für die Palästinenser gebe. Und umgekehrt. Deshalb habe eine Staatengruppe am Mittwoch eine Waffenruhe entlang der „Blauen Linie“ vorgeschlagen, führte sie aus. Eine Eskalation der Lage im nördlichen Nachbarland Israels bringe keiner Seite mehr Sicherheit. Sodann: So frustrierend der Mangel an Fortschritt auch sei, „wir geben nicht auf, eine politische Vision für den Tag anzustreben, an dem die Kämpfe enden.“
Frustriert nicht nur über Netanjahu
Der Frust gilt nicht nur Netanjahu. Der Hizbullah (und Teheran) hat der Westen längst bedeutet, dass man nach einem von der proiranischen Miliz provozierten Libanon-Krieg das Land nicht einfach wieder – wie in früheren Fällen – wieder aufbauen werde. Schließlich verausgabe man sich finanziell schon mit der Militärhilfe für die Ukraine.
Die Hoffnung stirbt zuletzt. Nach Beginn des Gazakrieges am 7. Oktober vergangenen Jahres, als die radikalislamische Hamas Israel mit Terror überzog, schien es, als sei ein Waffenstillstand im Gazastreifen die Voraussetzung dafür, ein Übergreifen des Krieges in den Norden zu verhindern. Nun ist es – nolens volens – umgekehrt: Die Verhinderung eines vollumfänglichen Krieges in Libanon als Voraussetzung für einen Waffenstillstand im Gazastreifen. Baerbock hob hervor, man arbeite weiter hart an einem Geisel-Deal und an dem Biden-Plan für einen Waffenstillstand.
Entschlossen hinter Kiew stehen
Dann kam Baerbock auf die Ukraine zu sprechen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, war nach seinem Auftritt vor der Generalversammlung in New York am Donnerstag in Washington mit Präsident Joe Biden und Kamala Harris, der Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, zusammengetroffen. Am Freitag will er – wiederum in New York – Donald Trump, den Kandidaten der Republikaner, in dessen Wolkenkratzer an der Fifth Avenue aufsuchen. Danach könnten Details seines „Siegesplanes“ bekannt werden.
Baerbock ging in ihrer Rede darauf nicht ein. Sie bekräftigte lediglich, solange Wladimir Putin nicht bereit sei, an den Verhandlungstisch zu kommen, bedeute ein Ende der Militärhilfe für Kiew nur eines: Die Ukraine könnte sich nicht länger verteidigen. Das würde zu mehr und nicht weniger Kriegsverbrechen führen – womöglich auch in anderen Ländern. Immer wieder habe Russland in den vergangenen Monaten mit der Unverletzlichkeit der Grenzen der baltischen Staaten und Polens gespielt. Deshalb stehe man entschlossen hinter Kiew und setze sich für einen Frieden ein, der die Existenz der Ukraine als freies und unabhängiges Land sichere – einen Frieden, der die ukrainische und die europäische Sicherheit gewährleiste.
#Baerbock #general #debate #giving