Die Angst um den eigenen Wohlstand dominiert weiterhin: 57 Prozent der Deutschen fürchten steigende Lebenshaltungskosten – die Sorge belegt damit zum dritten Mal in Folge den ersten Platz in der Studie „Die Ängste der Deutschen“, die jährlich vom Infocenter der R+V-Versicherung durchgeführt wird. Zudem sorgen sich 52 Prozent, dass Wohnen in Deutschland unbezahlbar wird (Platz drei), jeder Zweite fürchtet Steuererhöhungen oder Leistungskürzungen (Platz fünf), die Angst vor einer schlechteren Wirtschaftslage landet mit 48 Prozent auf Platz acht. Zwar sind diese Ängste im Vergleich zum Vorjahr um bis zu acht Prozentpunkte zurückgegangen, bewegen sich aber immer noch auf einem hohen Niveau.
„Das Vertrauen in die wirtschaftliche Erholung ist noch nicht vollständig zurückgekehrt“, sagte die Politikwissenschaftlerin Isabelle Borucki von der Philipps-Universität Marburg, die die Studie begleitet, am Mittwoch. Gerade die Lebensmittelinflation wirke nach, viele Menschen seien in ihrem Alltag nach wie vor mit steigenden Preisen konfrontiert.
Das zweite große Thema, das die Deutschen umtreibt, ist die Migration. 56 Prozent haben Angst, dass der Staat durch Geflüchtete überfordert sein könnte (Platz zwei), 51 Prozent fürchten Spannungen durch den Zuzug von Ausländern (Platz vier). Letztere Sorge ist im Vergleich zu 2023 um vier Prozentpunkte gewachsen, in beiden Fällen liegen die Angaben deutlich unter 2016 gemessenen Höchstwerten: Damals trieb zwei Drittel der Deutschen diese Sorge um. Bei Menschen in Ostdeutschland sind die Ängste rund um das Thema Migration deutlich größer als im Westen, der Unterschied beträgt sechs beziehungsweise fünf Prozentpunkte.
„Birgt Spaltungspotential für die Gesellschaft“
„Migration ist weiterhin ein zentrales Thema, das viele Menschen bewegt“, sagte Borucki. Sie wies aber auch darauf hin, dass die öffentliche Debatte polarisierend geführt werde, was solche Ängste verstärken könnte. Die Unterschiede zwischen Ost und West ließen sich strukturell und historisch erklären, so die Politikwissenschaftlerin: Aufgrund der speziellen demographischen und wirtschaftlichen Entwicklungen seit der Wende gebe es in Ostdeutschland nach wie vor größere Unsicherheiten, die Erfahrung mit Zuwanderung sei in vielen Regionen viel geringer. Zudem hätten migrationskritische Parteien wie die AfD einen stärkeren Rückhalt. Die Ängste in Bezug auf Migration müsse man ernst nehmen, weil das Thema ein „gewisses Spaltungspotential für die Gesellschaft birgt“.
Die Spaltung der Gesellschaft ist ebenfalls eine große Angst der Deutschen: Mit 48 Prozent belegt sie Platz acht. Ost- und Westdeutsche sorgen sich dabei gleichermaßen, auch zwischen Männern und Frauen gibt es keinen Unterschied.
Mehr Angst vor Extremismus, weniger vor der Klimakrise
Besonders gewachsen ist die Angst der Deutschen vor Extremismus, gestiegen ist sie um acht Punkte auf 46 Prozent. Als größte Bedrohung empfindet dabei knapp die Hälfte islamistischen Extremismus, 36 Prozent nannten Rechts- und nur sieben Prozent Linksextremismus. Die Angst vor Terroranschlägen liegt bei 43 Prozent, ein Zuwachs um fünf Punkte.
Trotz der Überschwemmungen in diesem Jahr unter anderen in Bayern sind die Ängste vor den Folgen des Klimawandels und vor Naturkatastrophen weiter zurückgegangen: Davor fürchten sich nur noch 44 beziehungsweise 42 Prozent. Rund um das Oderhochwasser im Jahr 2010 hatte die Angst vor Naturkatastrophen noch mehr als 60 Prozent der Deutschen beschäftigt.
Für die jährliche Erhebung werden rund 2400 Personen ab 14 Jahren in persönlichen Interviews befragt. Sie sollen auf einer Skala von eins bis sieben angeben, wie groß das Ausmaß ihrer Angst vor bestimmten Phänomenen ist. Angaben in der Höhe von fünf bis sieben fasst die Studie als „große Angst“ zusammen.
Es gebe aber auch Lichtblicke, sagte Studienleiter Grischa Brower-Rabinowitsch: Der Durchschnitt der gemessenen Ängste sei gesunken, „die Stimmung hellt sich auf“. Eine Angst hat sogar einen historischen Tiefstand seit Beginn der Erhebung im Jahr 1992 erreicht: Mit 22 Prozent sorgen sich so wenig Deutsche um ihren Arbeitsplatz wie noch nie.
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