Steuersparmodelle kosten den deutschen Staat jedes Jahr Hunderte Millionen Euro. Vor allem gewiefte Berater sehr vermögender Kunden sind aktiv dabei, entsprechende Steuerschlupflöcher zu finden. Politik und Finanzbehörden sind seit längerer Zeit hellhöriger geworden, um auf solche Entwicklungen aufmerksam zu machen und sie, wenn möglich, auch zu stoppen.
„Goldfinger“ ist nicht nur der Name eines James-Bond-Films aus dem Jahr 1964 mit Sean Connery und Gert Fröbe, sondern auch der eines umstrittenen Steuersparmodells. In einer Variante für den Kauf von Edelmetall hatten Vermögende vor einigen Jahren ganz legal Steuern gespart, bis es zu einer Gesetzesänderung kam. Zuvor hatte der Bundesfinanzhof im Jahr 2017 in einem Grundsatzurteil entschieden, dass der Goldhandel unter bestimmten Bedingungen vor einer Gesetzesänderung im Jahr 2016 zulässig war.
Nun ist das baden-württembergische Finanzministerium auf eine neue Spielart aufmerksam geworden. Ende August informierte dieses in einem Brief mit dem symbolischen Betreff „Gestaltungen ‚Bull and Bear‘“ seine Mitstreiter in den Ländern und im Bundesfinanzministerium. In dem dreiseitigen Schreiben, das der F.A.Z. vorliegt, beschreiben die Stuttgarter das Modell ganz genau und fordern entsprechende Konsequenzen, um es abzustellen.
Rohstoffe statt Gold
Diesmal geht es nicht um Gold, sondern um Rohstoffgeschäfte. Bei der neuen Variante des „Goldfinger“-Modells beteiligen sich Investoren aus Deutschland an einer Personengesellschaft, die auch eine Niederlassung im Ausland hat. Diese spekuliert vornehmlich mit Finanzderivaten auf Rohstoffe, wobei sie sowohl auf steigende als auch fallende Kurse setzt. Nach Angaben des Finanzministeriums wird durch den Abschluss gegenläufiger Geschäfte in zwei aufeinanderfolgenden Jahren gewährleistet, dass dem Spekulationsverlust ein Spekulationsgewinn gegenübersteht. Bei der im Ausland ansässigen Niederlassung der Gesellschaft kommt es damit zu einem Nullergebnis.
Dadurch, dass der Investor sich an der Personengesellschaft beteiligt, sind ihm die durch die Spekulationsgeschäfte erzielten Verluste über diese Beteiligung zuzurechnen. Der Verlust kann dann über den negativen Progressionsvorbehalt die Steuerlast für die im Inland steuerpflichtigen Einkünfte drücken. Die Gewinne wiederum lösen spiegelbildlich den progressiven Progressionsvorbehalt aus. „Dieser Effekt aber verpufft, da das Modell für Steuerpflichtige konzipiert wird, die so hohe Einkünfte haben, dass sie ohnehin bereits den Spitzensteuersatz zahlen“, schreibt das baden-württembergische Finanzministerium.
Dieses schlägt vor, gemeinsam gegen das neue Modell vorzugehen. „Wir sehen das Modell als rechtswidrig an, weil dadurch die in Deutschland zu zahlende Steuer unzulässig verkürzt wird. Entsprechend werden unsere Finanzämter auch vorgehen, wenn bei ihnen ein solcher Fall auf dem Tisch landet“, sagt eine Sprecherin des Finanzministeriums.
Auch im Haus von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in Berlin ist man inzwischen hellhörig geworden. Eine Sprecherin sagt, das Ministerium gehe konsequent gegen aggressive Steuergestaltungen vor. „Dies schützt nicht nur das Steueraufkommen, sondern ist auch ein Gebot der Steuergerechtigkeit.“ Wenn neuartige Steuersparmodelle bekannt werden, werden diese nach den Worten der Sprecherin daher zügig analysiert – dies beinhalte auch die Frage, ob es sich um einen sogenannten Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten handelt, der von vornherein steuerlich nicht anzuerkennen ist. „Der hier angesprochene Sachverhalt ist aktuell Gegenstand einer entsprechenden Prüfung.“
Hinweisen werde nachgegangen
Das Bundesfinanzministerium gehe grundsätzlich allen Hinweisen nach, die auf eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme steuerlicher Regelungen hindeuten könnten, betont das Haus von Lindner – unabhängig davon, ob diese über die Bundesländer an das Bundesfinanzministerium herangetragen oder ihm durch Mitteilungen über grenzüberschreitende Steuergestaltungen bekannt würden. „Dort, wo sich Regelungslücken zeigen, setzt sich das BMF für deren zügige Schließung ein. Gegenstand der oben angesprochenen Prüfung ist auch, ob bestehende Mitteilungspflichten beachtet wurden“, sagt Lindners Sprecherin. Der Vorstand der Bürgerbewegung „Der Einfallsreichtum mancher Steuerberater ist groß, um für sehr reiche Menschen die Steuerlast zu senken“, sagt dazu Gerhard Schick von der „Bürgerbewegung Finanzwende“. Doch dieses neue Modell sei rechtlich nicht in Ordnung.
Ähnlich argumentiert auch die Politik. „Steuervermeidungsmodelle führen zu erheblichen finanziellen Schäden, das haben Aktiengeschäfte wie Cum-cum oder Cum-ex gezeigt“, sagt Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne). Dadurch seien dem Staat und damit den Bürgern Milliarden vorenthalten worden, die für Bildung, Infrastruktur oder eine gut ausgestattete Polizei hätten verwendet werden können. „Nicht jedes Steuersparmodell ist rechtskonform, deswegen versucht unsere Steuerfahndung, solchen Modellen so früh wie möglich auf die Spur zu kommen.“ Die Steuerfahndung in Baden-Württemberg erzielte 2023 ein Mehrergebnis von 322 Millionen Euro. Bundesweit führten die Prüfungen der Steuerfahndungen im Jahr 2022 zu einem Mehrergebnis von 2,4 Milliarden Euro.
Bayaz hat 2021 ein anonymes Hinweisgeberportal für Baden-Württemberg freischalten lassen, auf dem Bürger verdächtige Steuerzahler melden können. Kritiker witterten Denunziantentum. Über das Portal sind im Jahr 2023 insgesamt 3620 Hinweise eingegangen, wie eine Sprecherin des Finanzministeriums mitteilt. Bisher habe das steuerliche Mehrergebnis sämtlicher Hinweise etwa 900.000 Euro betragen.
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