Hat ein von der Insel Capri stammender Händler für Haushaltströdel 1962 im Gerümpel einer Villa einen echten Picasso gefunden und diesen in einem billigen Rahmen jahrzehntelang in seinem Wohnzimmer hängen gehabt? Diese Frage beschäftigt italienische und internationale Medien, seit eine Expertin für Graphologie die Echtheit der Signatur im linken oberen Eck des Ölgemäldes zweifelsfrei festgestellt haben will.
Bei dem Gemälde handelt es sich um eine Version – oder eine Kopie – des 1941 entstandenen Werks „Buste de femme (Dora Maar)“. Das Original – oder eine Komposition – des Werks, das vom Unternehmen „Succession Picasso“ der Picasso-Nachfahren als authentisch anerkannt wurde, befindet sich seit 2019 als ständige Leihgabe eines Privatsammlers in der Australischen Nationalgalerie in Canberra. Das Gemälde soll 1999 von der Yacht eines saudischen Scheichs gestohlen worden und erst rund zwei Jahrzehnte später wieder aufgetaucht sein.
„Mein Vater wusste nicht, wer Picasso war“
Eine weitere Version – oder eine (gefälschte?) Kopie – der „Buste de femme“ hat der 2021 verstorbene Altwarenhändler Luigi Lo Rosso nach Angaben von dessen Sohn Andrea Lo Rosso 1962 bei der Haushaltsauflösung in einer Villa auf der Insel Capri gefunden und das Gemälde von dort nach Pompeji mitgebracht, wo die Familie in bescheidenen Verhältnissen lebt. „Mein Vater stammte aus Capri und sammelte Altwaren, die er für wenig Geld weiterverkaufte“, erzählte Andrea Lo Rosso jüngst der Zeitung „Il Giorno“. Der Vater habe ihm berichtet, die zusammengerollte Leinwand, verstaubt und in schlechtem Zustand, inmitten von allerlei Gerümpel gefunden zu haben. Die Mutter habe solche vom Vater mitgebrachten Bilder daheim wie Teppiche auf dem Boden auszubreiten und mit Waschmittel zu reinigen gepflegt.
Das abstrakte Ölgemälde auf Leinwand habe seinem Vater gefallen, er habe es auf einen billigen Holzrahmen gezogen und im Wohnzimmer aufgehängt, berichtet Andrea Lo Rosso. „Mein Vater war kein sehr gebildeter Mensch, er hatte keine Ahnung, wer Picasso war. Als Schüler las ich in einer Enzyklopädie über Picassos Werke, schaute mir das Gemälde an und verglich die Signatur darauf mit Picassos. Ich sagte meinem Vater immer wieder, dass die Signaturen sehr ähnlich seien, aber es kümmerte ihn nicht.“
Mehrere Versuche, bei den Nachfahren Picassos eine Überprüfung der Echtheit des Gemäldes zu erreichen, seien unbeantwortet geblieben, sagt Andrea Lo Rosso. Der 1973 im Alter von 91 Jahren verstorbene Picasso schuf mehr als 14.000 Werke. Bei „Succession Picasso“ gehen täglich rund 700 Bitten um Authentifizierung eines irgendwo aufgetauchten vermeintlichen Picasso ein, da bleiben viele Anfragen unbeantwortet. Also wandte sich Lo Rosso an verschiedene Experten und schließlich an die Arcadia Foundation, eine Stiftung in Lugano im Schweizer Kanton Tessin, deren Fachleute auf die Authentifizierung von Signaturen spezialisiert sind.
Er könnte sechs Millionen Euro wert sein
Cinzia Altieri, Graphologin von Arcadia Foundation, ist nach minuziöser Untersuchung des Gemäldes und der Signatur überzeugt, dass es sich bei dem Bild tatsächlich um einen echten Picasso handelt. Den Wert des Gemäldes hat die Stiftung auf sechs Millionen Euro taxiert. Bei einer Versteigerung könnten bis zu zehn Millionen Euro erlöst werden. Andrea Lo Rosso hat das Gemälde, das seine Mutter mehr als einmal weggeben oder wegwerfen wollte, weil sie es „schrecklich“ fand, inzwischen in einem Banktresor in Mailand deponiert.
Luca Marcante, Präsident der Arcadia Foundation, hält es für möglich, dass Picasso zwei Versionen des Werks „Buste de femme“ gemalt hat. „Es handelt sich wahrscheinlich um zwei nicht genau identische Porträts desselben Motivs, die Picasso zu unterschiedlichen Zeiten geschaffen hat. Eines ist sicher: Das in Capri gefundene und jetzt in einem Tresor in Mailand aufbewahrte Exemplar ist authentisch“, wird Marcante vom „Giorno“ zitiert.
Verbürgt ist, dass sich Picasso mehrfach zur Sommerfrische auf Capri aufgehalten und dort gewiss auch gemalt hat. Gesichert ist zudem, dass die französische Malerin und Fotografin Dora Maar (1907 bis 1997) eine der vielen Geliebten und Musen Picassos war, die der Jahrhundertkünstler auf seine Weise verewigt hat.
Andrea Lo Rosso will nun einen neuen Anlauf unternehmen, das Gemälde von „Succession Picasso“ authentifizieren zu lassen. Für Untersuchungen des Gemäldes und Expertisen von Fachleuten hat er schon viel Geld ausgegeben. Sollte das Werk vom Unternehmen der Erben Picassos tatsächlich als echt anerkannt werden, will er es versteigern lassen – „wie es sich mein Vater immer gewünscht hat“, so Andrea Lo Rosso gegenüber „Il Giorno“.
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