Weidetierhalter schöpfen Hoffnung, Tierschützer sind empört: Der Wolf soll künftig gejagt werden dürfen, denn die EU will seinen Schutzstatus senken und die Hessische Landesregierung ihn in das Jagdrecht aufnehmen. „Endlich Durchbruch beim Schutzstatus des Wolfs“, kommentierte Landwirtschaftsminister Ingmar Jung (CDU).
Aber so schnell wird nicht geschossen. Es müssen nicht nur viele Gesetze geändert werden, sondern es gilt auch, mithilfe eines wissenschaftlichen Monitoring-Verfahrens unter anderem die tatsächliche Zahl der Wölfe in Hessen zu ermitteln. Hessens Jäger bieten ihre Zusammenarbeit an.
Der Landtag wird wohl nächste Woche die Aufnahme des Beutegreifers in das Jagdrecht beschließen. Zum Gesetzentwurf gehört aber auch, den Weidetierschutz stärker zu fördern und den Haltern gerissener Tiere höhere Entschädigungen zu zahlen. Außerdem möchte Jung die Zuständigkeit für das Wolfszentrum an den Landesbetrieb Hessen Forst übertragen.
Verfahren dauert bis mindestens 2026
Das Prozedere ist also kompliziert und liegt nur zum Teil in der Hand des Landes. Nach Auskunft des Landwirtschaftsministeriums muss die EU einen Antrag auf Herabstufung des Schutzstatus für den Wolf beim ständigen Ausschuss der Berner Konvention einreichen, sobald die EU-Minister auch formal zugestimmt haben. Anschließend kann die EU-Kommission die Änderung des Schutzstatus vorlegen und benötigt im Gesetzgebungsverfahren abermals eine Mehrheit der EU-Staaten und im EU-Parlament, um die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie zu ändern.
Das könnte Anfang 2026 geschehen. Danach müsste das Bundesnaturschutzgesetz geändert werden. Vorausgesetzt, es gibt dafür eine Mehrheit im Bundestag, benötigt das Verfahren etwa ein halbes Jahr. Laut Ministerium ist es realistisch, dass die Gesetzesänderung bis Ende 2026 in die Tat umgesetzt ist.
Mitwirkung der Jäger erwünscht
Es gibt eine weitere Voraussetzung, um den Wolf jagen zu dürfen: ein hessenweites Monitoring. Dafür sei die „Mitwirkung der Jägerschaft“ erforderlich, schreibt das Ministerium, und Alexander Michel, Geschäftsführer des Landesjagdverbandes Hessen, sagt: „Den Wolf in das Jagdrecht aufzunehmen war eine Forderung des Landesjagdverbandes. Wir haben von Beginn an mitgeteilt, dass wir für ein Monitoring zur Verfügung stehen, zumal wir in der Fläche vor Ort sind.“
Laut Michel ist dies auch so in den Gesetzesentwurf der Landesregierung aufgenommen worden, und es würden Gespräche mit dem Ministerium und Hessen Forst geführt. Derzeit haben nach Auskunft von Michel etwa 25.000 Hessen einen Jagdschein, und von diesen sei der größte Teil auch aktiv.
Wie das Wolfsmonitoring künftig gestaltet werden soll, steht noch nicht fest. Die Zuständigkeit ist laut Michel geklärt, denn wenn der Wolf ins Jagdrecht aufgenommen werde, seien die Jagdbehörden zuständig. „Wir sind nicht nur Jäger, wir arbeiten auch mit anderen Landnutzern wie der Landwirtschaft und den Schafhaltern zusammen, um diesen zu helfen“, hob der Geschäftsführer hervor.
Es gehe erst einmal nicht um eine regelmäßige Bejagung, sondern darum, Wölfe erlegen zu können, die negativ aufgefallen seien. „Wenn wir irgendwann, wie in Schweden oder Finnland, sagen, dass der Wolf in unseren Flächen absolut gesichert ist, dann kann es auch zu einer regulären Bejagung kommen. Da möchte ich kein Zeitfenster nennen, das wäre unseriös“, so Michel weiter.
Naturschützer: Jagd ist nicht die Lösung
„Die Akzeptanz des Wolfs wird dann steigen, wenn er bejagt werden kann“, glaubt Michel, der als Sachverständiger den Landtag beraten hatte. Und: „Wenn die Leute auf dem Land keine Hilfe erhalten, wird es auch keine Akzeptanz für den Wolf geben.“ Michel macht aber auch klar: „Wir wollen den Wolf nicht ausrotten, auch wenn das manchmal anders kolportiert wird.“
In diesem Zusammenhang erinnert er daran, dass es für Schaf- oder Rinderhalter bitter sei, wenn sie sich ihre gerissenen Tiere anschauen müssten. „Auch wenn es Nutztiere sind, haben viele Tierhalter einen Bezug zu ihren Tieren. Ihnen ist es nicht gleich, wenn sie morgens auf die Weide kommen und ihre halb aufgefressenen Schafe auffinden, die zum Teil noch leben“, sagt Michel und ergänzt: „Ja, eine Entschädigung ist wichtig, aber dem Nutztierhalter tut das trotzdem weh.“
Kritik an den EU-Plänen und dem hessischen Vorhaben äußern Umweltschutzverbände. So hält der NABU Hessen das Vorhaben für einen großen Fehler. „Dass die EU-Mitgliedstaaten den Schutzstatus des Wolfes absenken und so Abschüsse erleichtern wollen, löst keine Probleme.
Die Koexistenz von Weidetierhaltung und Wolf gelingt nur durch integrierte Schutzmaßnahmen“, ist Landesvorsitzender Maik Sommerhage überzeugt. Seiner Einschätzung nach ist Herdenschutz unabdingbar. Zudem sei es im Einzelfall schon jetzt möglich, Problemwölfe zu schießen.
Plädoyer für Herdenschutz
„Weidetierhalter sollten sich nicht in die Irre führen lassen, mit Abschüssen allein sei der Umgang mit dem Wolf zu meistern. Dies wiegt sie nur in falscher Sicherheit, die am Ende niemandem nützt“, so Sommerhage. Er ist davon überzeugt, dass nach Abschüssen sofort andere Wölfe in den frei gewordenen Lebensraum nachrücken.
Jörg Nitsch, Vorsitzender der BUND Hessen, spricht gar von einem „Sieg des Populismus“. Es sei schon lange klar, dass die Zahl der gerissenen Nutztiere nicht von der Zahl der Wölfe, sondern vom Herdenschutz bestimmt werde. Dies belege auch der Jahresbericht 2023 zum Wolf in Hessen. Bei 26 der 46 Übergriffe im vergangenen Jahr seien ungeschützte Weidetiere die Opfer gewesen. 13 der 46 Übergriffe seien allein einer Wölfin zuzurechnen. Diese habe an „komplett schutzlosen Weidetieren“ lernen können, wie leicht Schafe und Ziegen ohne Herdenschutz erbeutet werden könnten.
In diesem Jahr, so Nitsch, habe sich die Situation wieder entspannt. Bis zum 17. September konnten nur sechs Übergriffe mit 16 getöteten Nutztieren dem Wolf zugeordnet werden. Der BUND-Vorsitzende sagt: „Wenn in Hessen heute bereits Wölfe bejagt werden könnten, würden überwiegend Tiere geschossen, die keine Nutztiere gerissen haben.“
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