Das nicht enden wollende Drama um die seit mehr als 100 Jahren geforderte Beseitigung des Rüdesheimer Bahnübergangs am Rheinufer wird mit dem nächsten Kapitel fortgesetzt. Statt eine Entscheidung zu treffen, wie der rund acht Stunden täglich geschlossene Bahnübergang der Bundesstraße B42 von Autos und Lastwagen ohne Schranke gekreuzt werden kann, soll Hessen Mobil auf Geheiß des Bundes eine weitere Prüfung der vorliegenden Optionen vornehmen.
Wie berichtet, war die „große Lösung“ mit einem rund zwei Kilometer langen Bahntunnel unter Rüdesheim im Jahr 2012 wegen der Kosten von geschätzt 250 Millionen Euro gescheitert. Und das, obwohl der Bundesverkehrsminister 1998 – er hieß Matthias Wissmann (CDU) – schon eine Finanzierungsvereinbarung unterzeichnet hatte.
UNESCO-Welterbe als Bremse
Danach waren die Sicherheitsanforderungen und die Kosten stark gestiegen – und der Bund war schließlich aus der Vereinbarung ausgestiegen, nachdem das Nutzen-Kosten-Verhältnis als unzureichend bewertet worden war. Das Stadt- und Landschaftsbild, der Tourismus, die städtebauliche Entwicklung, die Vorteile für den Bahnverkehr und viele andere Faktoren spielten bei der standardisierten Bewertung durch den Bund keine Rolle. Es dauert fast zehn Jahre, bis die vom Bund verlangten vermeintlich preisgünstigeren Alternativen vorlagen: ein kurzer Straßentunnel unter den Bahngleisen hindurch oder eine Straßenbrücke darüber.
Die deutlich preiswertere Straßenbrücke stieß aber nicht nur bei Stadt und Kreis auf Skepsis. Sie wäre wohl auch im UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal wegen der optischen Wirkung auf die Rüdesheimer Stadtansicht kaum genehmigungsfähig. Hessen Mobil bezifferte die Kosten für den zur Vorzugsvariante erklärten Straßentunnel mit unterirdischem Kreisel für die Anbindung der Rüdesheimer Autofähre auf 95 Millionen Euro. Davon hätte gemäß Eisenbahnkreuzungsgesetz die Bahn ein Drittel der Kosten zu tragen.
Weil der Bund aber vor den Kosten und der jahrelangen Sperrung der rechtsrheinischen Bahnstrecke – einer der wichtigsten Routen im europäischen Schienengüterverkehr – zurückschreckt, drückt er sich weiter vor einer Entscheidung. Zunächst hieß es im Dezember 2023, es müsse noch auf eine Bestätigung der Bahn zur Beteiligung an den Kosten gewartet werden. Nun soll Hessen Mobil die Ergebnisse der schon vor zwei Jahren vorgelegten Machbarkeitsstudie noch einmal im Hinblick auf Einsparungen untersuchen. Darüber hatte zuerst der „Wiesbadener Kurier“ berichtet, und die Reaktionen im Landkreis reichten von Enttäuschung bis Wut.
Landrat Sandro Zehner (CDU) hält den Stillstand in der Frage nicht für akzeptabel. Die für den Tunnelbau erforderlichen Sperrzeiten der Bahnstrecke sind längst bekannt und ebenso, dass eine Straßenbrücke an der Rheinfront mit dem Welterbestatus nicht vereinbar sei. Daran werde sich auch nach einer abermaligen Prüfung nichts ändern. Zehner fürchtet, dass die Bürger auch noch im Jahr 2040 vor geschlossenen Schranken stehen müssen. Die geforderte Neubewertung der Ergebnisse der Machbarkeitsstudie von Hessen Mobil werde den seit Jahren laufenden Planungsprozess weiter zurückwerfen.
Vorwurf der Verzögerungstaktik
Landrat Zehner hat sich deshalb mit einem Schreiben an Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) gewandt und für eine unverzügliche Entscheidung geworben. Jede Verzögerung werde das Projekt verteuern. Der Bund solle den Weg für den Bau eines Straßentunnels mit Anschluss an die Fähre frei machen. Für Zehner ist „Ehrlichkeit das Gebot der Stunde“. Wenn der Bund den Bahnübergang wegen der Kosten weder auf die eine noch auf die andere Weise beseitigen wolle, dann solle er das auch eindeutig mitteilen. Andernfalls leiste er nur einer weiteren Politikverdrossenheit Vorschub.
Wissing hat zudem einen Brief des Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Willsch (CDU) erhalten, der dem Minister Verzögerungstaktik vorwirft. Die abermalige Vertagung der Entscheidung durch ein weiteres Gutachten gehe zulasten der Bürger und Unternehmer. Alle Fakten lägen nach jahrzehntelangen Planungen auf dem Tisch. Wegen des Welterbestatus sei „ohnehin nur die Unterführungsoption“ möglich, weil die Rampen einer Brücke die Ansicht Rüdesheims vom Rhein verstellen würden. Es sei nicht hinnehmbar, dass Wissing eine schnelle Realisierung blockiere.
Willsch erwartet nicht, dass es zu Einsparungen kommt. Eher würden die Baukosten weiter steigen. Die Zeit der Planungen sei vorbei: „Es ist genug untersucht und geredet: Handeln Sie endlich.“ Noch schärfer reagiert die CDU-Kreistagsfraktion, nach deren Ansicht sich Wissing „als Zauderer mit großem Mundwerk entlarvt, der zwar Deutschlandtempo und Infrastrukturinvestitionen fordert, aber zurückzuckt, sobald es ernst zu werden droht“.
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