Der größte Gefangenenaustausch seit dem Kalten Krieg, bei dem aus russischer Haft und aus belarussischer Haft insgesamt sechzehn westliche, aber auch russische Staatsbürger ausgeflogen wurden, um zehn in Europa und den Vereinigten Staaten inhaftierte Agenten, Hacker und Waffenschmuggler nach Moskau heimzuholen, nahm sich inmitten von Ukrainekrieg und globalen Konflikten wie ein Sonderkanal des olympischen Friedens aus, auf dem Präsident Putin sich als zuverlässiger Verhandlungspartner empfahl. Und tatsächlich sei der Austausch, der ja während der Olympischen Spiele stattfand, an denen Russland aber nicht teilnimmt, so etwas wie ein olympisches Mannschaftsspiel gewesen, schrieb die glamouröse Journalistin und Society-Lady Xenia Sobtschak, die Putins Patenkind sein soll, auf ihrem Telegram-Kanal „Blutiges Fräulein“ (Krowawaja Barynja). Auf beiden Seiten hätten die Zuschauer für die jeweils „eigenen Leute“ gefiebert.
Der Kontrast zwischen den Teams könnte größer nicht sein. Russland verließen die amerikanisch-russischen Journalisten Evan Gershkovich und Alsu Kurmasheva, der erst unlängst in Minsk zum Tode verurteilte deutsche Rettungssanitäter Rico Krieger, die Deutsch-Russen Kevin Lick und Hermann Mojsches, die nur als Spielmaterial für einen Austausch abgeurteilt worden sein dürften, aber auch russische Staatsbürger wie die Oppositionellen Ilja Jaschin und Wladimir Kara-Mursa, der Menschenrechtler Oleg Orlow oder die Künstlerin Sascha Skotschilenko, talentierte, mutige, ethische, empathiebegabte Menschen mit Strahlkraft, die sich gegen den Krieg in der Ukraine geäußert hatten. Dafür wurden sie zuerst ihrer Freiheit und jetzt der Heimat beraubt, der frühere Präsident Dmitri Medwedjew fauchte, man sei „Verräter“ losgeworden. Die exilierte Politologin Jekaterina Schulman erinnert daran, dass Alexej Nawalnyj durch seinen Tod im Gefängnis auf tragische Weise ihrer Freiheit gewissermaßen den Weg bereitete. Denn die Verhandlungen um ihn hätten letztlich zu dem jetzigen Austauschszenario geführt.
Der Tiergartenmörder als Kern des Austauschs
Im Moskauer Regierungsflughafen Wnukowo 2 hingegen landeten in symbolisch schwarzer Nacht finstere Gestalten, für die auf dem Rollfeld ein blutroter Teppich ausgelegt war, an dem Gardesoldaten in goldbetresster Festtagsuniform in gespenstisch schöner Haltung Spalier standen. Der riesige Teppich ließ an die Ströme von Blut denken, die täglich in der Ukraine vergossen werden, die aber möglicherweise auch einige dieser Männer zu vergießen bereit sind. Und dass Putin persönlich zum Flugzeug kam, um die Agenten zu begrüßen – und den im Adidas-Trainingsanzug reisenden Tiergartenmörder Wadim Krassikow wie einen alten Freund umarmte –, das war ein weiterer Rekord: So fürstlich dürften noch nie freigepresste russische Geheimdienstler empfangen worden sein, glaubt die aserbaidschanisch-russische Journalistin Farida Rustamowa, die daran erinnert, dass der ganze grandiose Austausch überhaupt um Krassikow herum konstruiert wurde. Der Geheimdienstexperte Andrej Soldatow meint, mit dessen Heimführung sende das Regime seinen Gegnern in der Emigration – zu denen nun auch Jaschin, Orlow und Kara-Mursa gehören – das Signal, dass man Leute habe, die sie dort finden und ausschalten könnten.
Für diejenigen unter den befreiten Agenten, die zum Militär gehören, soll es sogar Medaillen geben. Putin versprach, ihnen in naher Zukunft staatliche Auszeichnungen zu verleihen.
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